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Implantat oder nicht, das war hier die Frage

Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09. April 2019, Az. B 1 KR 27/18 R, handelt es sich bei einem Harnwegsverweilkatheter um ein Implantat/Prothese im Sinne des ICD-Kodes T83.5. Für die Anwendung des Diagnoseschlüssels T83.5 komme es allerdings auch darauf an, ob die Infektion durch den Katheter verursacht worden sei.

Sachverhalt

In dem hier entschiedenen Behandlungsfall erhielt der Patient während eines Voraufenthalts einen Nephrostomiekatheter. Das Klinikum nahm den Patienten später wieder auf, um einen Nierenstein endoskopisch zu entfernen. Dafür kodierte es unter anderem die Nebendiagnosen T83.5 [Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt] und B95.7! [Sonstige Staphylokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind].

Die Kasse ließ den Fall durch den MDK prüfen, der zu dem Ergebnis kam, dass die Nebendiagnose T83.5 in N39.0 [Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet] zu ändern sei. Der Katheter stelle kein Implantat im Sinne des ICD-Kodes T83.5 dar. Die Kasse verrechnete den Fall, sodass das Klinikum den offenen Betrag einklagen musste.

Das Sozialgericht Berlin und das LSG Berlin-Brandenburg hatten noch im Sinne der Kasse entschieden. Diese Urteile wurden nun aufgehoben.

Gründe

Das BSG hat seine Entscheidung mit der Kodierregel D014d (2011) begründet. Danach ist das alphabetische ICD-Verzeichnis unterstützend zum systematischen ICD-Verzeichnis heranzuziehen. Auch aus dem Einleitungssatz der DKR ergebe sich, dass sowohl das alphabetische als auch das systematische Verzeichnis für die Kodierung heranzuziehen seien. Das systematische Verzeichnis diene dabei dazu die Richtigkeit des aus dem alphabetischen Verzeichnis ermittelten Kodes zu überprüfen und gehe in Konfliktfällen zwischen beiden Verzeichnissen vor.

Im alphabetischen Verzeichnis werde unter „Harnwegskatheter - Entzündung“ der Kode T83.5 aufgeführt, wobei das BSG den hier strittigen Nephrostomiekatheter einem Harnwegskatheter gleichstellt. Nach dem oben Gesagten ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das systematische ICD-Verzeichnis dieser Kodierung entgegenstehe. Dies ist nicht der Fall. Der Harnwegskatheter als Verweilkatheter wird in die Gruppe T83.- mit einbezogen. Insbesondere sei die Kodierung gerade nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Harnwegskatheter beim Kode T83.5 - anders als beim Kode T83.0 - nicht gesondert aufgeführt werde. Schließlich sei der Harnwegskatheter im Kode T83.0 nur ein Unterfall der Gruppe T83.- (Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt).

Allerdings setze der Kode T83.5 voraus, dass die Infektion durch den Katheter verursacht sei, also ein kausaler Zusammenhang bestehe. Dies müsse nochmals vom LSG geklärt werden. Das - in diesem Fall nicht zuständige - SG Nürnberg hat hierzu bereits in einer mündlichen Verhandlung geäußert, dass bei einem liegenden Harnwegskatheter ohne weitere ersichtliche Infektionsquelle von der geforderten Kausalität auszugehen sei.

Ausblick

Wie das BSG hatte bereits u. a. i. E. das Sächsische LSG (Urteil vom 27.10.2017, Az. L 1 KR 252/13) entschieden.

Weiteres Argument, welches das BSG jedoch nicht heranzieht ist, dass der ICD-Kode T83.5 gegenüber beispielsweise den N30 oder N39 der spezifischere ICD-Kode ist. Im Kode T83.5 sind sowohl die Erkrankung (Infektion) als auch die Lokalisation (Harntrakt) und zusätzlich die Ursache der Erkrankung (Prothese, Implantat, Transplantat) enthalten.

Zukünftig sollte das alphabetische Verzeichnis im Rahmen der Kodierung sowie in Widersprüchen und Klagen stärker berücksichtigt werden. Zu prüfen bleibt lediglich, ob das systematische Verzeichnis dem entgegensteht.