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Gesundheitsversorgung

Trotz Aus für Extrem-Frühchen – Klinik will weiter behandeln

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Die Chefetage des Neubrandenburger Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums kritisiert die Krankenkassen scharf und setzt jetzt voll auf die wohl letzte Möglichkeit für Behandlungen von Extrem-Frühchen.
Veröffentlicht:02.11.2022, 13:54

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Das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum (DBK) will weiter um die Extrem-Frühchen kämpfen. „Wir sind sehr enttäuscht über die Ablehnung des Ausnahmeantrags”, teilte die Geschäftsführung auf Nordkurier-Anfrage mit. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass die Landesregierung sich nicht gegen die Krankenkassen durchsetzen konnte.

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Das Behandlungsverbot für die Frühchen mit einem Gewicht von unter 1250 Gramm bleibt in Neubrandenburg bestehen. „Wir werden uns trotzdem weiter dafür einsetzen, auch die kleinsten Frühgeborenen an unserem Haus behandeln zu können”, teilte die Geschäftsführung auf Nordkurier-Anfrage mit. Etwa eine Stunde vor der Verkündung der Landesregierung soll die Leitung erst informiert worden sein.

Das Klinikum hoffe jetzt voll auf die Petition der Mitarbeitervertretung, die am Mittwochnachmittag, 2. November, um 15.30 Uhr bei der Mahnwache ebenfalls herumgereicht werden soll. Darin wird unter anderem die Streichung der Mindestmengen gefordert, stattdessen sollen angemessene Maßnahmen zur Qualitätssicherung festgelegt werden.

Kein Unterzeichner des Behandlungsverbot war je in der Klinik

„Wir hoffen, dass damit das entsprechende Gesetz noch einmal auf den Prüfstand kommt – nicht nur wegen der Frühgeborenen-Versorgung, sondern auch wegen anderer medizinischer Leistungen, die von Mindestmengen betroffen sind.”

Mit Blick auf die Landesverbände wird das Klinikum zudem deutlich: „Keiner der Verantwortlichen, die das Behandlungsverbot unterschrieben haben, hat sich unser Haus jemals angesehen, sich von der Arbeit und der Leistung im Perinatalzentrum überzeugt. Das macht uns betroffen.”

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Behandlungen von Extrem-Frühchen gelten bundesweit als „lukrativ”, das Neubrandenburger Klinikum erwirtschaftet damit aber keine Gewinne, wie es weiter auf Nordkurier-Anfrage heißt. „Wir wollen das Leistungsangebot trotzdem weiter aufrechterhalten. Auch wenn der Gesetzgeber das anders sieht – für uns ist Erreichbarkeit für die Familien dabei ein ganz wichtiges Kriterium. Es geht hier zwar nur um wenige Kinder, aber immer auch um die ganze Familie, die durch uns betreut wird.

Die dringend benötigte Ausnahmegenehmigung für das Neubrandenburger Klinikum scheiterte an den Krankenkassen. Sie hatten dem Neubrandenburger Klinikum ein Behandlungsverbot für planbare Frühchen mit einem Gewicht von unter 1250 Gramm ausgesprochen, weil die jährlich erforderliche Mindestmenge an Behandlungen nicht erreicht wird. Und trotz der Versuche vom Klinikum und der Landesregierung halten sie daran auch fest, wie die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen in einer gemeinsamen Stellungnahme mitteilten.

Entscheidend sei, dass aus Sicht der Kassen die flächendeckende medizinische Versorgung durch das Behandlungsverbot nicht gefährdet ist, heißt es darin. „99 Prozent der Neubrandenburger Frauen können ihr Kind weiterhin in Neubrandenburger Klinikum bekommen, auch 90 Prozent der Frühgeburten können dort weiterhin stattfinden.”

Krankenkassen äußern sich zu Entscheidung

Lediglich die einzelnen Neugeborenen, die planbar mit einem Gewicht von unter 1250 Gramm zur Welt kommen – das betraf im vergangenen Jahr sieben Kinder – müssten nun anderswo behandelt werden, sofern es sich nicht um einen Notfall handelt. Die nächsten Möglichkeiten haben Eltern in Berlin und Greifswald, die weite Entfernung wurde immer wieder kritisiert.

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„Die gesetzlichen Krankenkassen können die Emotionalität und teilweise Verunsicherung der Bevölkerung in Neubrandenburg bezüglich des Behandlungsverbots nachvollziehen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht und uns bewusst die erforderliche Zeit genommen, um uns mit den Unterlagen und Sichtweisen des Klinikums und des Ministeriums auseinanderzusetzen”, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Der gemeinsame Bundesausschuss hatte die Mindestanzahl für Behandlung bei den Extrem-Frühchen auf 20 Fälle im Jahr hochgesetzt, 2023 müssen es gar 25 Fälle sein. Neubrandenburg hatte zuletzt 14 bis 20 Fälle, in den beiden vergangenen Jahren aber nur noch sieben Extrem-Frühchen. „Viele Studien belegen, dass eine höhere Anzahl von Behandlungen von Extrem-Frühgeborenen mehr Erfahrung, mehr Sicherheit und mehr Qualität für die Familien bedeutet”, betonen die Kassen.