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Medizin Zu geringe Gehaltsforderung entlarvt falschen Arzt

Petra Herterich

Leer - Die Bewerbung für die Chefarztstelle am Inselkrankenhaus Borkum sah auf den ersten Blick vielversprechend aus: gute Zeugnisse, Facharztabschluss für Innere Medizin und zudem eine Ausbildung als Diabetologe sowie sehr gute Empfehlungsschreiben.

Auch der Kandidat selbst überzeugte bei seinem ersten Auftritt. Und als es um die Gehaltsverhandlungen ging, war er sofort mit allem einverstanden – da wurde der Klinik-Geschäftsführer misstrauisch: „Der war mit einer relativ niedrigen Summe schon so zufrieden – das kann kein Arzt sein“, dachte sich Holger Glienke. Und er hatte recht.

Der Mann, der sich im Dezember beim Klinikum Leer, das auch das Inselkrankenhaus auf Borkum betreibt, beworben hatte, ist überhaupt kein Mediziner – er ist Einzelhandelskaufmann. Inzwischen sitzt der falsche Arzt, der aus Baden-Württemberg stammt, in Untersuchungshaft. Die Behörden ermitteln gegen ihn wegen Betrugs, Urkundenfälschung und des Missbrauchs von Titeln.

Bevor sich der jetzt 36-Jährige für Borkum bewarb, hatte er im Oktober 2018 bereits mehrere Wochen in einer Praxis in Heppenheim (Südhessen) als Arzt gearbeitet. Der Mann hatte zuvor seine gefälschten Unterlagen einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vorgelegt, die ihm auch eine Zulassung erteilt hatte. Damit bewarb er sich im Dezember für den Chefarztposten auf Borkum.

„Sehr gut informiert“

„Der Mann hatte durchaus medizinische Kenntnisse und er war über die Situation auf Borkum sehr gut informiert“, sagt der Ärztliche Direktor des Klinikums, Dr. Hans-Jürgen Wietoska. Er war mit seinem „Kollegen“ Mitte Dezember nach Borkum gefahren, um ihm das Inselkrankenhaus zu zeigen. „Der gab sich erstaunlich professionell“, sagt Wietoska. Auch die Kollegen auf Borkum seien durchaus angetan gewesen. „Wir haben alle keinen Verdacht geschöpft.“

Die Zulassung als Mediziner, die der Mann vorgelegt habe, sei nicht von der KV in Niedersachsen, sondern in einem anderen Bundesland ausgestellt worden. „Nachdem der Schwindel bei uns aufgeflogen war, weil einige Daten in der Bewerbung bei genauerem Hinsehen nicht stimmen konnten, hieß es dort, dass man bereits weitere Anfragen wegen des Mannes gehabt habe“, sagt Wietoska. Es sei gerade in solchen Fällen ärgerlich, dass es keine zentrale Meldestelle für alle Mediziner gebe.

Falsche Unterschriften

„Und die Drucker sind ja heutzutage so gut, dass man bei den Urkunden kaum das Original von einer Fälschung unterscheiden kann“, sagt Wietoska. Erst beim zweiten Hinsehen fiel auf, dass bei sämtlichen Urkunden des Bewerbers alle Stempel an der gleichen Stelle saßen. Zudem waren alle Unterschriften gefälscht – und zwar richtig gut. „Ich habe einen Arzt angerufen, der angeblich ein Empfehlungsschreiben ausgestellt hatte. Der sagte, dass das wirklich wie seine eigene Unterschrift aussehe, er aber den Mann gar nicht kenne“, berichtet Wietoska.

Andernorts beworben

Das Klinikum stellte noch im Dezember 2018 Strafanzeige. Den falschen Arzt stoppte das nicht. Er begann im März 2019 in einer Klinik im Schwarzwald. „Bei uns wollte er ursprünglich im Februar anfangen“, erinnert sich Glienke. Anfang April klickten bei dem falschen Mediziner dann endgültig die Handschellen. Aufgeflogen war er schließlich, weil er ein polizeiliches Führungszeugnis nicht vorlegen konnte – das habe sich die KV laut Presseberichten schließlich selbst besorgt und sei aufgrund von „aufgeführten Verfehlungen“ skeptisch geworden. Es wurde Anzeige gegen den vermeintlichen Mediziner erstattet.

Die Polizei im südhessischen Heppenheim nahm ihn fest, und der zuständige Richter erließ Haftbefehl. Dieser wurde allerdings zunächst außer Vollzug gesetzt – dafür bekam der falsche Arzt eine Fußfessel verpasst.

Die hielt ihn aber nicht zurück: „Der Mann sitzt jetzt wieder in U-Haft, weil er trotz Fußfessel eine weitere Straftat begangen hat“, erklärt die zuständige Staatsanwaltschaft in Darmstadt auf Nachfrage. Sie ermittelt auch wegen der Strafanzeige des Leeraner Klinikums. „Der Fall liegt bei uns“, heißt es aus der dortigen Pressestelle.

Beim Klinikum Leer will man jetzt „noch genauer hinschauen“, wenn sich Ärzte bewerben, sagt Geschäftsführer Glienke. Nur auf seinen Instinkt will er sich in Zukunft nicht verlassen – auch wenn der in diesem Fall gut funktioniert hat.

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