Steigende Preise und Personalnot

Schließen in Krankenhäusern bald Abteilungen?

07:54 Minuten
Ärzte in OP-Kitteln drängen sich im OP Saal, zu sehen ist außerdem eine Maschine mit vielen Kabeln.
Im Krankenhaus können nicht einfach die Stromfresser abgestellt werden, um Energie zu sparen. © Unsplash / Guillaume Piron
Von Burkhard Schäfers · 09.09.2022
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Höhere Preise für Gas, Strom und Lebensmittel treiben auch für Krankenhäuser die Kosten in die Höhe. Doch um dies auszugleichen, können sie nicht einfach so sparen oder die Behandlungspreise erhöhen. Eine Klinik in München sucht nach Auswegen.
Angesichts von Energiekrise und Inflation schlagen die Krankenhäuser Alarm. Auch sie haben deutlich mehr Kosten, können aber nicht einfach höhere Rechnungen schreiben. Was ein Krankenhaus je Patient bekommt, ist gesetzlich genau festgelegt.
Auch das katholische Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München ringt mit den steigenden Preisen für Energie und andere Produkte. Es ist ein mittelgroßes Haus mit 400 Betten, im Jahr werden hier 50.000 Menschen versorgt. Nach den Zahlen der Geschäftsführerin Nadine Schmid-Pogarell lagen die Energiekosten im vergangenen Jahr bei 1,6 Millionen Euro. In diesem Jahr werden es nach ihrer Hochrechnung zwei Millionen Euro mehr sein.
„Wir haben im letzten Jahr für einen Pflegetag eines Patienten Energiekosten von 17,32 Euro gehabt“, so die Ärztin. „In diesem Jahr sind es 37,75 Euro. Eine Steigerung von 120 Prozent, das ist enorm.“
Doch, erklärt Bernhard Müller, Leiter der Betriebstechnik: „Wir können nicht einfach sparen, so wie es im Fernsehen oder Radio gesagt wird: Dreh mal die Heizung runter. Ich kann einen kranken Patienten nicht in ein kaltes Zimmer legen. Die müssen gewaschen werden. Wir müssen die Geräte desinfizieren.“

Mehrkosten nicht vorgesehen

Auf die Abteilung zur Sterilisation von OP-Besteck kann das Krankenhaus nicht einfach verzichten. Auch beispielsweise nicht auf stromintensive Geräte. Es kann auch nicht die Wäsche seltener waschen.
Ein Ansatz: Die Klinik baut gerade die Heizungsanlage um – damit sie mit Gas betrieben werden kann und mit Öl. Die Sterilisierungsanlage laufe aber nur mit Gas, erklärt Bernhard Müller, Leiter der Betriebstechnik. Wenn es kein Gas mehr gebe, müssten sie die mit Strom betreiben.
Eigentlich gibt es für Investitionen Geld vom Land. Nicht aber, wenn es so schnell gehen müsse wie jetzt, sagt Klinikchefin Nadine Schmidt-Pogarell.
Und dann ist da noch der steigende Strompreis: Die Klinik verbraucht so viel Strom wie ein ganzes Dorf – 5,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr.
Wie dieser Münchner Klinik geht es fast allen Kliniken bundesweit, ergab jüngst eine Umfrage im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die Einnahmen der Krankenhäuser sind staatlich geregelt. Je Patient gibt es von den Krankenkassen eine sogenannte Fallpauschale.
Die hohen Mehrkosten seien darin nicht vorgesehen, erklärt Klinikleiterin Nadine Schmid-Pogarell. „Das Vergütungssystem hinkt immer zwei Jahre hinterher. Das heißt, die Vergütung, die wir 2022 haben, basiert auf Daten aus 2020.“

Notaufnahmen könnten schließen

Laut Gesetz dürfen die Krankenhäuser in diesem und im kommenden Jahr nicht nachverhandeln. Deshalb melden sie sich jetzt lautstark zu Wort: Die Finanznot komme zu einer Zeit, in der die Situation durch Corona und durch den Fachkräftemangel ohnehin angespannt sei. Es bestehe die Gefahr, dass die stationäre Versorgung zusammenbricht.
Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, fordert daher einen Inflationsausgleich: „Da können wir uns vorstellen, dass es einen Zuschlag auf jede Krankenhausrechnung von vier Prozent gibt. Und dann müssen wir für 2023 frei von irgendwelchen Deckeln über nachgewiesene Kostensteigerungen mit den Krankenkassen verhandeln dürfen.“

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Der Verband sieht bei den bayerischen Kliniken in diesem Jahr ein Gesamtdefizit von mehr als 500 Millionen Euro. Mögliche Folgen: Abteilungen, die dauerhaft Minus machen, könnten schließen – etwa die Notaufnahmen.
Außerdem drohe der Abbau von Personal. „Das werden sich auch die bayerischen Kommunen nicht mehr leisten können“, so Engehausen. „Es geht ja um eine öffentliche Daseinsvorsorge, die ist elementar wichtig.“
Doch nicht nur Gas und Strom werden teuerer, auch andere Produkte wie Lebensmittel, Medizinprodukte und Putzmittel.

Hilfspaket angekündigt

„Wir sind dringend darauf angewiesen, dass politisch jemand Verantwortung übernimmt und sagt: Ich will die bestehenden Krankenhäuser erhalten oder nicht“, bilanziert Geschäftsführerin Nadine Schmid-Pogarell.

Wenn wir alle Defizite produzieren, können wir nicht weiter existieren. Die Liquidität ist dann nicht mehr da, wir können keine Löhne mehr bezahlen, dann müssen wir Insolvenz anmelden.

Nadine Schmid-Pogarell

Öffentliche Träger wie Kommunen und Landkreise können womöglich noch das eine oder andere Defizit ausgleichen. Aber freigemeinnützige Träger – wie der katholische Orden der Barmherzigen Brüder – dürften schnell an ihre Grenzen stoßen. Und private Krankenhäuser wollen schon gar keine roten Zahlen schreiben.
Das hat offenbar auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erkannt. In der Haushaltsdebatte im Bundestag kündigte er wegen der stark gestiegenen Betriebskosten ein Hilfspaket für die Kliniken an. In den kommenden Wochen will Lauterbach mit den Ländern festlegen, wie es aussehen soll.
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