Das GVWG ist in Kraft - Zahlreiche Änderungen für Krankenhäuser

Nachdem der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG). am 11.06.2021 verabschiedet und es der Bundesrat in seiner Sitzung vom 25.06.2021 gebilligt hatte, wurde das GVWG am 19.07.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet. Wesentliche Teile des Gesetzes sind damit am 20.07.2021 in Kraft getreten. Für nicht wenige Gesetzesänderungen sind allerdings abweichende, zum Teil auch in der Vergangenheit liegende (Rückwirkung) Termine normiert. Das zumeist unter dem Titel „Pflegereform“ laufende Gesetzesvorhaben wurde in Fachkreisen und Politik ausgesprochen kontrovers diskutiert. Dabei geht es nicht nur um Neuerungen im Bereich der Pflegeversicherung (SGB XI). Auch die Krankenhäuser sind von nicht unerheblichen Änderungen betroffen.

Verschärfung der Mindestmengenregelungen

War der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bislang aufgefordert, bei der Festlegung von Mindestmengen auch Ausnahmetatbestände zu definieren, so ist diese Befugnis mit dem GVWG entfallen (§ 136b Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens „gerettet“ werden konnte die Möglichkeit der Länder (Krankenhausplanungsbehörde), Ausnahmen zu bestimmen. Allerdings ist dies nur noch im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen möglich und die Entscheidung ist auf ein Kalenderjahr zu befristen; wiederholte Befristungen sind zulässig (§ 136b Abs. 5a SGB V). Eine weitere Verschärfung der Regelungen wurde im Bereich der Prognoseerstellung vorgenommen, s. § 136b Abs. 5 SGB V. Ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 müssen (bisher: können) die Landes­verbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der vom Krankenhaus­träger getroffenen Prognose diese durch Bescheid widerlegen. Hiergegen gerichtete Klagen haben keine aufschiebende Wirkung – das soll die Durchsetzung der Mindestmengen stärken. Gleichzeitig ist der G-BA beauftragt, mit Wirkung zum 01.01.2022 Regelbeispiele für begründete erhebliche Zweifel festzulegen.

Stärkung von Qualitätsverträgen

Neben Mindestmengen gehören auch Qualitätsverträge zu den Instrumenten der Qualitätssicherung. War der Abschluss dieser in § 110a SGB V geregelten Verträge mehr oder weniger (“sollen … Verträge schließen“, § 110a Abs. 1 SGB V a.F.) freiwillig, soll durch die Formulierung „schließen … Verträge“ die Verbindlichkeit des Auftrags der Krankenkassen, Verträge zur Förderung einer qualitativ hochwertigen stationären Versorgung mit dem Krankenhausträger zu schließen, erhöht werden. Die Zahl der Leistungen bzw. Leistungs­bereiche, die der G-BA im Beschlusswege bestimmt, wurde von vier auf acht (ab 2024) erhöht. Zwar sind Qualitätsverträge weiterhin zu befristen. Verlängerungen der Vertragslaufzeit sind allerdings jetzt möglich (§ 110a Abs. 1 Satz 3 SGB V). Des Weiteren ist der G-BA verpflichtet, regelmäßig – und erstmals noch in 2021 - auf seiner Internetseite regelmäßig eine detaillierte Übersicht über geschlossene Qualitäts­verträge zu veröffentlichen (§ 136b Abs. 8 SGB).

Neue Regelungen zu Pflegebudget und Personalbemessung

Ende 2020 stritten DKG und der GKV-Spitzenverband über die Frage „was zählt zur Pflege am Bett?“. Letztlich einigte man sich darauf, die Abgrenzungsvereinbarung für 2020 im Sinne einer Empfehlung zu verstehen; verbindlich werde die Vereinbarung erst ab 2021, so der Konsens. Dieser Kompromiss wurde, letztlich auf Betreiben der AOK, das für heftigen Unmut gesorgt hat, mit dem GVWG ausgehebelt. Denn gemäß § 6a Abs. 7 KHEntG ist die Empfehlung keine mehr. Vielmehr sind die Pflegesatzparteien nunmehr bereits für das Jahr 2020 verpflichtet, die Abgrenzungsvereinbarung anzuwenden. Dies gilt jedenfalls dann, sofern sie bis zum 20.07.2021 noch kein Pflegebudget für das Jahr 2020 vereinbart haben.

In Sachen Personalbemessung sind die Parteien der Selbstverwaltung auf Bundesebene verpflichtet, bis Ende 2024 ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs in zugelassenen Krankenhäusern (unmittelbare Patientenversorgung, bettenführende Stationen) nach qualitativen und quantitativen Maßstäben zu entwickeln und zu erproben. Die derzeit gültigen Mindestvorgaben zur Personalausstattung bleiben dabei unberührt (§ 137k Abs. 1 SGB V). Hinsichtlich der Personaluntergrenzen selbst ist nun klargestellt, dass diese jährlich zu überprüfen bzw. weiterzuentwickeln sind. Zudem sind bis zum 01.01. eines Jahres weitere pflegesensitive Bereiche in Krankenhäusern festzulegen, für die Pflegepersonaluntergrenzen zu vereinbaren sind (§ 137i Abs. 1 SGB V).

Änderungen gibt es auch bei dem vom InEK jährlich zu ermittelnden Pflegepersonalquotienten (§ 137j SGB V). So wird festgelegt, bis zu welcher Höhe Pflegepersonal, das nicht über die einschlägigen Berufsbezeichnungen verfügt, in die Berechnungen einzubeziehen ist. Überdies wird das InEK verpflichtet, den ermittelten Pflegepersonalquotienten jährlich auf seiner Internetseite zur veröffentlichten, erstmals bis zum 31.08.2021.

Ambulante Notfallversorgung im Krankenhaus

Die Pläne einer Reform der Notfallversorgung liegen coronabedingt zurzeit zwar auf Eis. Das hindert den Bundesgesetzgeber jedoch nicht, einen einzelnen Baustein der Reform schon jetzt umzusetzen. So ist der G-BA aufgerufen, bis zum 20.07.2022 Vorgaben “zur Durchführung einer qualifizierten und standardisierten Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs“ (§ 120 Absatz 3b SGB V) zu verabschieden, die seitens der Krankenhäuser zu beachten sind. Dazu gehören z.B. auch Vorgaben zur Qualifikation des medizinischen Personals sowie zu Form und Inhalt des Nachweises der Durchführung der Einschätzung. Wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, soll der G-BA auch die Fälle bestimmen, „in denen bei der Feststellung des Nichtvorliegens eines sofortigen Behandlungsbedarfs ein Arzt oder eine Ärztin darüber zu entscheiden hat, dass die Patientin und der Patient nicht vor Ort versorgt werden muss“ (BT Drucksache 19/30560, Seite 43). Die bereits für die zentralen Notaufnahmen getroffenen Festlegungen (§ 136c Abs. 4 SGB V) sind vom G-BA zu berücksichtigen. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorgaben ist die Durchführung der Ersteinschätzung nach Maßgabe des Beschlusses und das Feststellen eines sofortigen Behandlungsbedarfs Voraussetzung für die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlung (§ 120 Absatz 3b Satz 4 SGB V).

Übergangspflege im Krankenhaus

Der neu in das SGB V eingefügte § 39e gelangte erst gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens, nämlich nach entsprechender Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses, in das GVWG. Die neue Regelung ermöglicht es zugelassenen Krankenhäusern, Patientinnen und Patienten für längstens 10 Tage je Krankenhausbehandlung weiter zu versorgen, wenn die im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderlichen pflegerischen Leistungen (z.B. häusliche Krankenpflege oder Pflegeleistungen nach dem SGB XI) nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können. Die Übergangspflege kann nur in dem Krankenhaus erfolgen, in dem auch die Behandlung erfolgt ist. Die Leistungserbringung erfolgt zulasten der Krankenkassen.

Weitere Regelungen für Krankenhäuser

Auch wenn die o.g. Regelungen für Krankenhäuser sicherlich den Schwerpunkt der Änderungen bzw. Neuerungen durch das GVWG bilden dürften, so gibt es doch noch eine Reihe weiterer Bestimmungen im GVWG, die für Krankenhausträger bedeutsam sind. Hier einige Beispiele:

  • Psychotherapeutische Hochschulambulanzen: die Ambulanzen werden verpflichtet, der Bundespsychotherapeutenkammer die Höhe der Ausbildungskosten sowie die Höhe des auszuzahlenden Vergütungsanteils mitzuteilen. Die 1. Mitteilung war bis zum 31.07.2021 vorzunehmen. Anhand dieser Angaben hat die Bundespsychotherapeutenkammer eine bundesweite Übersicht zu veröffentlichen (§ 117 Abs. 3c SGB V).
  • Psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V): Erweiterung des Leistungsspektrums um die Teilnahme an der Versorgung gemäß § 92 Abs. 6b SGB V (G-BA-Richtlinie zu berufsgruppenübergreifender, koordinierter und strukturierter Versorgung psychisch Kranker).
  • Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst: § 275 SGB V wurde um einen Abs. 6 ergänzt. Darin ist bestimmt, dass jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des MD in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen ist und „zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen“ muss. Des Weiteren sind Krankenkassen und MD verpflichtet, den Begutachtungszweck zu nennen, wenn sie in den gesetzlich genannten Fällen, zu denen beispielsweise auch Abrechnungsprüfungen gehören, versichertenbezogene Daten beim Krankenhaus anfordern (§ 276 Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Fazit

Das GVWG ist das letzte Gesetz der Gesundheitspolitik dieser Legislaturperiode. Auch wenn das sogenannte Sammelgesetz ausgesprochen umfangreich ist und vor allem zu mehr Qualität und Transparenz in der Versorgung führen soll, so besteht in der Krankenhausversorgung auch weiterhin Handlungsbedarf. Das zeigt bereits ein Blick auf die Notfallversorgung, für die immer noch kein schlüssiges Gesamtkonzept verabschiedet worden ist.

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