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Ein neues Krankenhaus für den Landkreis? Landrätin überrascht mit Aussage - Gutachten läuft

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Die Krankenhäuser in Weilheim (l.) und Schongau – die Vision der Landrätin ist eine große Klinik.
Die Krankenhäuser in Weilheim (l.) und Schongau – die Vision der Landrätin ist eine große Klinik. © Ruder/Herold

Es war nur ein Satz von vielen bei einer Pressekonferenz in München. Doch der hatte es in sich: Denn Landrätin Andrea Jochner-Weiß sprach von einem großen, ländlichen Krankenhaus – statt zweien in Weilheim und Schongau. Es sei nur eine Vision, beschwichtigte sie später. Noch.

Landkreis – Eigentlich war die Landrätin am Dienstag in München, um mit allen Beteiligten die Kooperation mit dem Universitätsklinikum rechts der Isar in München vorzustellen. Doch im Rahmen der großen Pressekonferenz ließ sie – wohl eher unbewusst – noch eine andere Katze aus dem Sack. „Mit meiner Vision sehe ich ein ländliches, großes Krankenhaus mit Anbindung ans MRI“, sagte Andrea Jochner-Weiß. Moment ... eins? Ja, ganz richtig. Die Landrätin sprach – erstmals öffentlich – davon, dass ihr die Zusammenlegung der beiden Krankenhäuser vorschwebt.

Aktuell wird ein Gutachten über die Struktur der GmbH erstellt

Auf Nachfrage der Heimatzeitung reagierte Jochner-Weiß zurückhaltend. Die Vision sei zwar „immer da“, aber konkret gebe es noch nichts zu sagen, wiegelte sie ab. Ganz richtig ist das nicht. Immerhin lässt sich die Krankenhaus GmbH seit rund zwei Jahren extern beraten, es wird ein Gutachten über die Situation in den beiden Häusern erstellt. Darin wird die Zusammenarbeit mit dem MRI beleuchtet, aber eben auch die Struktur der GmbH. Ein Zwischenbericht lag dem Aufsichtsrat bereits vor, allerdings nichtöffentlich. Jochner-Weiß darf dazu nichts sagen. Im Herbst soll das Gutachten fertig sein und den Kreistagsmitgliedern vorgestellt werden. „Mit Sicherheit wird eine Option ein Krankenhaus sein“, sagt die Landrätin. Die Idee ist nicht gänzlich neu, seit Jahrzehnten schon schwirrte dem ein oder anderen die Zusammenlegung vor – politisch war sie nie umsetzbar.

Wirtschaftlich spricht viel für eine Zusammenlegung

Wirtschaftlich ist sie durchaus begründbar, wie GmbH-Geschäftsführer Thomas Lippmann auf Nachfrage bestätigt. „Kleine Krankenhäuser haben in Deutschland keine alleinige Überlebenschance“, sagt er. Ab 400 Betten könnten Häuser rentabel sein. In Schongau sind es 180, in Weilheim 160.

Das Defizit ist jedes Jahr enorm. Der Landkreis kalkuliert damit, in der nächsten Zeit pro Jahr 10 Millionen Euro zuzuschießen – ohne weitere Corona-Wellen wären es etwa 2,5 Millionen Euro weniger. Hinzu kommen Zuschüsse für Investitionen. 2021 wurden dafür 6,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, Lippmann will das Geld aber nicht ausschöpfen.

Für den Geschäftsführer ist das Führen von zwei Häusern einer der Kostentreiber, auch Jochner-Weiß bestätigt das. „Es ist wirklich schwierig, zwei Krankenhäuser zu betreiben“, sagt die Landrätin. „Wir haben lauter Doppelstrukturen“ – also zwei Notaufnahmen, zwei Intensivstationen und so weiter. Ein gemeinsames Krankenhaus wäre da womöglich rentabler aufgestellt. „Es geht darum, langfristig die Gesundheitsversorgung in kommunaler Hand zu halten“, sagt Jochner-Weiß, die betont, dass der Landkreis „zwei tolle Krankenhäuser“ habe.

Politische Diskussion muss noch geführt werden

Die Vision lasse sie trotzdem nicht los. Jochner-Weiß hat bereits ihre Vorstellung von einem „Landkreiskrankenhaus mit einem Hubschrauber-Landeplatz, einem gemeinsamen Parkplatz und natürlich der engen Anbindung an das Klinikum rechts der Isar“, beschreibt sie. „Am liebsten hätte ich ein Haus, wo ich alles anbieten kann.“ Wo das dann steht, dazu äußert sich Jochner-Weiß nicht. Die politische Diskussion werde ja noch gar nicht geführt. „Aber ich würde schon Flächen vor meinem geistigen Auge sehen“, gibt sie zu.

Dass in den vergangenen Jahren rund 50 Millionen Euro in die Sanierung und Modernisierung der Häuser geflossen seien, widerspreche ihrer „Vision“ nicht, sagt die Landrätin. Immerhin dauere es noch mindesten 15, 20 Jahre, bis die Idee umsetzbar sei. Und angesichts der medizinischen Entwicklung seien dann längst die nächsten Investitionen in die Häuser notwendig. Ob dann vielleicht ein Neubau kommt und was aus den bestehenden Gebäuden wird, ob sie das Angebot ergänzen oder nicht mehr benötigt werden, steht in den Sternen. „Da wurden ja noch keine Gespräche geführt“, winkt Jochner-Weiß ab. Alles nur eine Vision eben. „Aber ich würde mir schon wünschen, dass viele Kreisräte sie mittragen können.“

Kommentar: Die Diskussion ist eröffnet

Es klingt auf den ersten Blick wie ein schlechter Witz: Da sind die beiden Krankenhäuser in Weilheim und Schongau in den vergangenen Jahren für geschätzt 50 Millionen Euro baulich fit für die Zukunft gemacht worden, und der Landkreis kann sich vorstellen, eine neue Kreisklinik auf die grüne Wiese zu setzen?

Auf den zweiten Blick ist es eine Debatte, die dringend geführt werden muss. Gleich vorneweg: Beide Krankenhäuser und ihr Personal leisten hervorragende Arbeit, es gibt erfahrene Ärzte und ausreichend Pflegekräfte, was an sich schon eine Aussage über die Beliebtheit von Krankenhäusern ist. Doch weil alles doppelt vorgehalten werden muss, kostet der Betrieb auch viel mehr als ein Krankenhaus wie beispielsweise in Landsberg, das als Solitär im Landkreis steht und schwarze Zahlen schreibt, während der Landkreis Weilheim-Schongau mit zehn Millionen Euro Zuschuss plant. Beide Häuser in Weilheim und Schongau parallel gleichwertig aufzurüsten, mit Spitzenmedizinern und Spitzenausrüstung, wird trotz aller Versuche eines gemeinsamen „virtuellen Krankenhauses“ nicht möglich sein.

Also warum nicht die jährlich geplanten millionenschweren Bauinvestitionen künftig einsparen und in 15 Jahren – so lange dürfte es mindestens dauern bis zu einer Realisierung – ein neues Krankenhaus zentral im Landkreis beziehen, das von Geburtenstation bis Fachabteilungen alles unter einem Dach bietet? Langfristig würde es sicher Geld sparen, so viel ist sicher, denn das Defizit der Klinik GmbH wird sich nicht plötzlich in Luft auflösen. Und bei einigen weiteren Jahren mit einem derart hohen Defizit braucht man kein Rechenkünstler sein, um zu erkennen, dass sich ein zwar teures, aber kostenneutrales Krankenhaus schneller rentieren könnte, als man denkt.

Ganz wichtig: Die neue Klinik muss in kommunaler Hand sein, etwas anderes wäre den Bürgern auch nicht zu vermitteln. Man muss nur einen Blick in den ähnlich gelagerten Nachbarlandkreis Bad Tölz-Wolfratshausen werfen, der früher auch aus zwei eigenständigen Landkreisen bestand und wie Weilheim-Schongau Doppelfunktionen besitzt. Dort wird derzeit über die Zukunft der Kreisklinik Wolfratshausen diskutiert, während das Krankenhaus in Bad Tölz zur Asklepios-Gruppe gehört und kürzlich für Schlagzeilen sorgte, weil es mitten in der Corona-Krise Pflegekräfte entlassen hat. Das darf es hier nicht geben. Aber die Diskussion ist eröffnet – wir sind gespannt.

Boris Forstner

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