Die vierte Corona-Welle verläuft in Deutschland bislang vergleichsweise gemäßigt. Dank Corona-Impfung stagniert die Inzidenz, nur noch wenige Einschränkungen gelten und auch die Krankenhausampel als neuer Maßstab für die Corona-Regeln steht in allen Ländern auf Grün - doch trügt der Schein?

Sowohl Politik als auch Medizin sprechen bereits seit Wochen von einer "Pandemie der Ungeimpften". Denn obwohl die Zahl der Corona-Patienten in den Kliniken bisher noch nicht zu Verschärfung der Maßnahmen geführt hat, sieht das medizinische Personal eine klare Tendenz. "Der bisherige Impffortschritt hat die Krankenhäuser spürbar entlastet, die Situation ist heute eine ganz andere als vor einem Jahr. Dennoch füllen sich die Intensivstationen derzeit wieder", so der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß.

Hauptsächliche Ungeimpfte wegen Corona im Krankenhaus: Das sind die Folgen

Mehr als 90 Prozent der Intensivpatienten mit Covid-19 seien laut DKG ungeimpft. Impfdurchbrüche gebe es fast nur bei sehr alten Erkrankten mit einem bereits geschwächten Immunsystem. Auch der Altersdurchschnitt spreche für die Wirkung der Corona-Impfung. "Auf den Intensivstationen liegen heute vor allem Patientinnen und Patienten jüngeren und mittleren Alters – also aus jener Gruppe, in der gerade zwei Drittel geimpft sind", so Gaß.

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Auch die Wissenschaftler*innen des Robert-Koch-Instituts bestätigen diese Einschätzung. Laut dem jüngsten Wochenbericht ist die Zahl der Patienten, die seit Februar 2021 nach einem Impfdurchbruch im Krankenhaus behandelt werden muss, sehr gering. Unter den 12- bis 17-Jährigen liegt der Anteil bei etwa 0,2 Prozent, bei den 18- bis 59-Jährigen sind es 1,2 Prozent. Allein bei Menschen über 60 Jahren - unter denen der Anteil der Impfdurchbrüche aufgrund eines schwächeren Immunsystems grundsätzlich höher liegt - steigt der Anteil auf 2,4 Prozent.

Wie Recherchen des ARD-Politikmagazins "report München" gezeigt haben, sind Ärzt*innen und Pflegepersonal frustriert über die steigende Patienten-Zahl auf den Corona-Stationen. Jens Deerberg-Wittram, Leiter des Klinikverbunds RoMed Kliniken in Oberbayern, berichtete dem Magazin, dass er bereits geplante Operationen verschieben müsse, weil die Intensivstationen mit Corona-Patienten belegt seien.

Erhebung der AOK zeigt: Corona-Impfung kann schwere Verläufe verhinder - und Kosten für Steuerzahler

Dabei seien 90 Prozent der Aufenthalte auf der Intensivstation mit einer Impfung vermeidbar, erklärte Christoph Spinner von der Technischen Universität München im "report München". Laut Spinner, der auch am Klinikum rechts der Isar tätig ist, werden die Patienten immer jünger, die Verläufe seien aber dennoch schwer. Ein wesentlicher Anteil der Patienten habe auch Wochen und Monate nach dem Klinikaufenthalt bleibende Folgen, die noch eine Anschlussbehandlung nötig machen.

Was vielen dabei nicht bewusst ist: Die ungeimpften Corona-Patienten beanspruchen nicht nur Klinikbetten und das medizinische Personal, sie verursachen auch in diesem Sinne "unnötige" Kosten. Eine exklusive Erhebung der AOK für "report München" hat ergeben, dass jeder beatmete Covid-Patient im Schnitt 34.200 Euro kostet. Seit Beginn der Pandemie haben die Kliniken rund 2,9 Milliarden Euro für die Corona-Behandlungskosten bei den Krankenkassen abgerechnet. Um Betten für Intensivpatienten freizuhalten, erhielten die Kliniken zudem milliardenhohe Zuschüsse aus Steuermitteln. Durch die Corona-Impfung ließen sich schwere Verläufe und damit auch die enormen Kosten für Versicherten und Steuerzahlenden vermeiden.

Auch für Krankenhausmanager Deerberg-Wittram ziehen die ungeimpften Patienten Kosten nach sich. Die Arbeit ist für das Personal auf den Corona-Stationen belastend, der Krankenstand entsprechend hoch. "Es ist eben ein Unterschied, ob man sich um schwerkranke Patienten kümmert, die ohne ihr Zutun eine schwere Erkrankung bekommen haben, oder ob sie auf einer Station arbeiten, wo ausnahmslos Menschen sind, die angebotene Schutzmaßnahmen wie eine Impfung nicht angenommen haben", so der RoMed-Geschäftsführer. Es sei für die Kollegen "eigentlich unerträglich" zu sehen, dass so gut wie alle Fälle durch die Impfung hätten vermieden werden können. Dass nach wie vor ein so großer Teil der Bevölkerung nicht geimpft ist, sei für ihn daher nicht nachvollziehbar. Derzeit sind rund 63 Prozent der Deutschen vollständig gegen Corona geimpft. 

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