Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 26/21 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Schadensersatzanspruch - Operateur - Approbation als Arzt durch gefälschte Unterlagen

Verhandlungstermin 26.04.2022 11:15 Uhr

Terminvorschau

IKK classic ./. K. D. gGmbH, beigeladen: Land Nordrhein-Westfalen
Die Beteiligten streiten über die Erstattung gezahlter Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlungen.

Das, zur Behandlung gesetzlich Versicherter zugelassene Krankenhaus der Beklagten (im Folgenden: das Krankenhaus) beschäftigte von 2009 bis 2015 eine Person (P) zunächst als Assistenzarzt und später als Facharzt. P hatte sich dort unter Vorlage einer durch das beigeladene Land erteilten Approbation als Arzt beworben. Er hatte allerdings weder die ärztliche Prüfung noch eine Facharzt-Prüfung abgelegt; bei den dem beigeladenen Land im Approbationsverfahren vorgelegten Unterlagen hatte es sich um Fälschungen gehandelt. Nach Bekanntwerden der Täuschung nahm das beigeladene Land die Approbation des P bestandskräftig zurück. Das Krankenhaus machte nach Anfechtung des Arbeitsvertrags gegenüber P die für seine Beschäftigung verauslagten Kosten und Beiträge geltend. Er wurde zudem wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die klagende Krankenkasse (KK) verlangte vom Krankenhaus die vollständige Erstattung der Vergütungen für 14 stationäre Behandlungen ihrer Versicherten, an denen P mitgewirkt hatte (38 904,02 Euro). Das Krankenhaus hielt dem entgegen, es habe auf die Richtigkeit der behördlichen Approbationserteilung vertrauen dürfen. Das SG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der KK hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und das Krankenhaus zur Erstattung der von der KK zuletzt noch für die Behandlungsfälle ab 2012 begehrten 31 595,44 Euro verurteilt. Der KK stehe ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Das Krankenhaus habe seine Pflicht zur Behandlung der Versicherten dadurch schuldhaft verletzt, dass es die Behandlungen nicht von einem Arzt habe vornehmen lassen. Der Schaden sei in Höhe der gesamten gezahlten Vergütung entstanden und nicht auf den Anteil des Operateurs begrenzt. Die Behandlungen seien für die KK insgesamt wertlos gewesen.

Das Krankenhaus rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 39 Abs 1 SGB V, § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 280, 278 BGB, § 109 Abs 4 S 3 SGB V, § 2 Abs 2, § 7 KHEntgG und § 5 Abs 1 BÄO.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Aachen - S 13 KR 114/17 - 06.02.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 128/18 - 17.12.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 16/22.

Terminbericht

Die zulässige Revision des klagenden Krankenhauses hatte im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg. Der Senat konnte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob der Krankenkasse (KK) der geltend gemachte Erstattungsanspruch zusteht.

Der KK steht kein Schadensersatzanspruch wegen einer eigenen schuldhaften Pflichtverletzung des Krankenhauses zu. Das Krankenhaus durfte auf die Richtigkeit der behördlich erteilten Approbation vertrauen und war grundsätzlich nicht gehalten, die Qualifikation von P bei dessen Einstellung eigenständig zu überprüfen. Ob ein Schadensersatzanspruch wegen einer Zurechnung des Verschuldens des P besteht, lässt der Senat offen. Es besteht jedenfalls ein Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vergütungen dem Grunde nach. Zum Umfang des Erstattungsanspruchs fehlen Feststellungen des LSG.

Der Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die KK die zurückgeforderten Vergütungen ohne Rechtsgrund erbracht hat. Ein Rechtsgrund für die Vergütung scheidet aus, wenn ein Nichtarzt an der Behandlung mitgewirkt hat, die dem Arztvorbehalt unterliegt. Der in § 15 Abs 1 Satz 1 SGB V geregelte Arztvorbehalt ist wesentlicher Bestandteil des Qualitätsgebots. Die Approbation ist notwenige Voraussetzung für die Ausübung des Arztberufs. Sie spricht im Sinne einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass der Betreffende über die durch das Bestehen der ärztlichen Prüfung nachzuweisende medizinische Mindestqualifikation verfügt; sie fingiert diese aber nicht. Fehlt es an dieser medizinischen Mindestqualifikation verletzt dies den Arztvorbehalt. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG war P kein Arzt. Die ihm zu Unrecht erteilte Approbation ist mit Wirkung für die Vergangenheit bestandskräftig zurückgenommen worden. Er hatte mangels Ablegung der ärztlichen Prüfung zu keinem Zeitpunkt die Qualifikation als Arzt erlangt.

Der Vergütungsanspruch ist allerdings nur ausgeschlossen, sofern P an den Behandlungen der Versicherten mitgewirkt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der Vergütungsanspruch voraus, dass Leistungen insgesamt unter Beachtung der einschlägigen Qualitätsvorgaben erbracht werden. Verstöße führen dazu, dass die Leistung insgesamt nicht zu vergüten ist. Hiervon nicht betroffen sind eigenständige und abgrenzbare Behandlungsabschnitte, an denen P nicht mitgewirkt hat. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren muss das LSG daher nur noch feststellen, ob in den streitigen Behandlungsfällen eigenständige und abgrenzbare Behandlungen durchgeführt wurden, an denen P nicht mitgewirkt hat.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 16/22.

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