FormalPara Zusammenfassung

Das deutsche G-DRG-System hat durch konsequente Weiterentwicklung einen weltweit einmaligen Differenzierungsgrad erreicht. Der Preis dafür ist eine ausgeprägte Komplexität des Fallgruppensystems selbst und der begleitenden Regelungen zum Einsatz des Systems in der Krankenhausfinanzierung. Die Erreichung der mit einer leistungsgerechten Krankenhausfinanzierung verfolgten Ziele sollte kritisch reflektiert und evaluiert werden. Die Weiterentwicklung sollte die Komplexität des Systems reduzieren und sicherstellen, dass versorgungsrelevante Krankenhäuser auch zukünftig ihre Leistungen auf qualitativ hohem Niveau wirtschaftlich erbringen können. Dabei ist insbesondere die Finanzierung von versorgungsnotwendigen Vorhaltungen sicherzustellen, die nicht über eine hohe Auslastung refinanziert werden können. Mit diesem Beitrag sollen Probleme der bestehenden DRG-Konzeption beschrieben und Vorschläge für ihre Weiterentwicklung skizziert werden.

The German G-DRG system has reached a worldwide unique degree of differentiation through consistent further development. The price for this is a pronounced complexity of the G-DRG system itself and the accompanying regulations for the use of the system in hospital funding. The achievement of the goals pursued with the introduction of a performance-based hospital funding system should be critically reflected upon and evaluated. Further development of the G-DRG system should reduce its complexity and ensure that hospitals which are needed to safeguard patient care can continue to provide their services economically at a high level of quality of care. In particular, the funding of provision costs of hospitals which are indispensable for patient care need to be ensured if those costs are not covered due to a lower utilisation of their services. This article describes problems of the existing DRG concept and outlines proposals for its further development.

1 Einleitung

Das G-DRG-System steht für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Krankenhausfinanzierung, der mit Einführung der durchgängigen Fallpauschalierung Anfang des Jahrtausends vollzogen wurde. Das auf der Basis des australischen AR-DRG-System entwickelte G-DRG-System hat seit 2003 eine Reife erlangt, die auch internationale Anerkennung findet. Die im Vergleich zu anderen internationalen DRG-Systemen ausgesprochen differenzierte Abbildung hat jedoch auch die Komplexität des Systems deutlich erhöht. Seit seiner Einführung wird das G-DRG-System mit vielen Veränderungen assoziiert, die nicht zwangsweise Folge des Einsatzes eines Fallpauschalensystems sein müssen (s. beispielsweise Bündnis Krankenhaus statt Fabrik 2018; Albrecht 2019). Es stellt nur einen einzelnen Baustein im Gesamtkonzept der Krankenhausfinanzierung dar und kann im besten Fall über seine Struktur und die Methodik der Kalkulation die politisch gesetzten Ziele unterstützen.

Im engeren Sinne ist das G-DRG-System kein Finanzierungssystem, sondern ein Patientenklassifikationssystem. Allerdings sind die verschiedenen, an medizinische Klassifikationen angelehnten Klassen (DRGs) nach dem Primat der Gesamtkostenhomogenität gebildet. Dabei drücken die verschiedenen DRG-Bewertungen den relativen Aufwandsunterschied zur Erbringung der innerhalb einer DRG zusammengefassten Leistungen in Form von Relativgewichten (Bewertungsrelationen) aus. In welcher Form die DRGs zur Krankenhausfinanzierung eingesetzt werden, ist damit jedoch nicht festgelegt. Sie können zur Ermittlung von Budgets oder auch im Rahmen der Einzelabrechnung zwischen Krankenhaus und Kostenträger zur Anwendung kommen. In Deutschland werden sie nach § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in einer Mischung sowohl zur Festlegung eines flexiblen Krankenhausbudgets als auch zur Echtabrechnung genutzt. Ergänzt wird die fallpauschalierte Leistungsfinanzierung durch Zusatzentgelte für besonders aufwändige Leistungen, die keinen direkten Bezug zur Fallpauschale haben. Das Finanzierungssystem ist eingebettet in Regelungen zur Kodierung der erbrachten Leistungen gemäß jährlich anzupassender Diagnose- und Prozedurenklassifikationen, Kodierrichtlinien sowie Abrechnungsbestimmungen. Die Anzahl der jeweiligen DRGs, die ein Krankenhaus für ein Budgetjahr vereinbart, ergibt – unter Berücksichtigung verweildauerabhängiger Zu- oder Abschläge – die Summe der Bewertungsrelationen (Casemix) für die geplanten Behandlungsfälle; multipliziert mit dem Landesbasisfallwert resultiert das Erlösbudget. Ergänzt wird das Erlösbudget um spezielle, in der Vergütungshöhe krankenhausindividuell zu vereinbarende Entgelte (sogenannte Erlössumme) und zukünftig um das Pflegebudget. Für die Bemessung des Gesamtbudgets existieren jedoch auch weitere Regeln wie z. B. Mehr- und Mindererlösausgleiche oder der Fixkostendegressionsabschlag für vereinbarte Mehrleistungen. Abb. 6.1 fasst die Rahmenbedingungen in einer Übersicht zusammen. Zwar bedingen und beeinflussen sich die Regelungen auf den unterschiedlichen Ebenen, zur Problemlösung und Bewertung der Weiterentwicklungsebenen bietet es sich aber an zu differenzieren. Für die Weiterentwicklung auf den unterschiedlichen Ebenen sind unterschiedliche Akteure verantwortlich. Das G-DRG-System wird damit nicht als reines Preissystem angewendet, in dem allein Preis mal Menge den Gesamterlös eines Krankenhauses bestimmen. Dies muss bei der Einordnung des Systems, aber auch bei der Diskussion von Weiterentwicklungsperspektiven berücksichtigt werden.

Abb. 6.1
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Unterschiedliche Betrachtungsebenen des G-DRG-Systems

2 Aspekte der Weiterentwicklung

Das Patientenklassifikationssystem wurde als „lernendes System“ angelegt. Federführend für die Weiterentwicklung ist das von den Selbstverwaltungspartnern gegründete Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Es existiert ein jährliches Vorschlagsverfahren zur Einbindung des medizinischen, wissenschaftlichen und weiteren Sachverstandes in die Systementwicklung. Die Methodik der Anpassung wurde sukzessive weiterentwickelt (InEK GmbH 2003–2019: Vorschlagsverfahren). Mit den Anpassungen, beispielsweise durch Etablierung eines sehr differenzierten Abfragealgorithmus, hat sich das G-DRG-Fallgruppensystem von seinem Ursprungssystem mittlerweile deutlich entfernt.

Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen wie die Methodik der DRG-Kalkulation sowie der Kodier- und Abrechnungsregeln liegt bzgl. der detaillierten Festlegung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben überwiegend in der Hand der Selbstverwaltungspartner. Seit ihrer Einführung über Ersatzvornahmen durch das Bundesministerium in den Jahren 2003 und 2004 (BGBl. I 2002: KFPV; BGBl. I 2003: KFPV 2004) erfolgten hieran jedoch nur geringfügige Anpassungen wie z. B. die Sachkostenkorrektur, s. Abschn. 6.4.3 (FPV 2019; InEK GmbH: Deutsche Kodierrichtlinien 2019; InEK GmbH 2003–2018c: Abschlussberichte). Auch die Rechtsprechung hat durch eigene Interpretationen Einfluss auf Festlegungen genommen.

Fallpauschalierende Finanzierungssysteme setzen Anreize zur Reduktion von Leistungsbestandteilen innerhalb der DRG-Definition bei gleichzeitiger Erhöhung der Fallzahl und Fallschwere. Aufgrund des hohen Anteils an Fixkosten im Krankenhaus ist die ökonomische Effizienz in Bezug auf die einzelne erbrachte Leistung seit Einführung der Fallpauschalierung deutlich gestiegen (IGES Institut 2014; Bremer 2015). Wegen der Anreize sollte ein DRG-System nur mit flankierenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Mengensteuerung eingesetzt werden. Der Preis (Basisfallwert) und damit mittelbar auch das Finanzvolumen der DRG-basierten Krankenhausfinanzierung wird nicht aus dem Patientenklassifikationssystem selbst abgeleitet, sondern unterliegt einer politisch gewichteten Zielsetzung unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel. Bisweilen wird das G-DRG-System bzgl. seiner Nutzung überfordert. Es ist z. B. nicht geeignet, unterschiedliche Vorstellungen der Akteure zur Krankenhausplanung und zu einem Strukturwandel befriedigend umzusetzen. Nicht jedes Krankenhaus, das bei einer Orientierung der Finanzierung an den Durchschnittskosten in wirtschaftliche Probleme gerät, ist verzichtbar und nicht jedes mit Gewinn operierende Krankenhaus wird zwingend benötigt.

Die Weiterentwicklungsperspektiven des G-DRG-Patientenklassifikationssystems sind nicht von den politischen Zielen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu trennen. Es bedarf der kontinuierlichen Überprüfung, ob das G-DRG-System und insbesondere sein Einsatz weiterhin die verfolgten politischen Ziele unterstützt oder ob Änderungen in der politischen Zielsetzung eine Anpassung des G-DRG-Systems und seiner Anreize erfordern.

Eine Weiterentwicklung kann einerseits überwiegend technischer Natur sein, wie z. B. die Weiterentwicklung der Fallgruppen (DRGs), der DRG-Kalkulation, die zur jährlichen Überprüfung und Restrukturierung des Gesamtsystems führt. Sie kann aber auch die Anwendung des Systems zur Krankenhausfinanzierung unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen betreffen. Das reine Patientenklassifikationssystem ist bezüglich seiner Anwendung nicht von den Finanzierungsrahmenbedingungen trennbar. Da es letztendlich bei der Abrechnung einer DRG immer um Vergütung aus unterschiedlichen Perspektiven (Leistungserbringer, Kostenträger) geht, ist oft die Zuordnung eines Patienten zu einer DRG ebenso streitbefangen wie die Verweildauer innerhalb einer DRG, sofern sie einen Einfluss auf den DRG-bezogenen Erlös hat. Daher wird bei der Diskussion über das DRG-System häufig auch die reine Systemebene zu Gunsten einer wirtschaftlichen Diskussion verlassen. Es geht dann nicht mehr um die Frage, ob ein Patient systembezogen der richtigen DRG zugeordnet ist, sondern ob der resultierende Erlös aus der Perspektive des Leistungserbringers oder Kostenträgers für die erbrachte Leistung angemessen ist. Dies kann auch zu strategischen Anpassungen der Kodierung führen, um unabhängig von einer sachgerechten Abbildung im System zu einer für sachgerecht gehaltenen Vergütung zu kommen.

3 Weiterentwicklung

Die deutliche Zunahme der Systemkomplexität in den letzten Jahren dürfte zumindest zum Teil der Tatsache geschuldet sein, dass versucht wurde, zur Lösung von Problemen – auch struktureller Probleme der Krankenhausfinanzierung – auf das etablierte und viel gelobte „lernende System“ auszuweichen. Als Beispiel hierfür sind die inflationäre Entwicklung der OPS-Komplexkodes und der Versuch, über Strukturprüfungen Einfluss auf Versorgungstrukturen zu nehmen, zu nennen. Wenn hier auf kurzfristigen Erfolg gehofft wurde, können zielführendere Weiterentwicklungen der grundlegenden Methodik oder Änderungen der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen nicht immer nachdrücklich genug verfolgt worden sein. Nicht alle Probleme in der Anwendung der G-DRGs lassen sich befriedigend über eine alleinige Anpassung von G-DRG-Definitionen oder der Kalkulationsmethodik lösen. Als Folge der Komplexität muss eine Bewertung der Weiterentwicklungsperspektiven des G-DRG-Systems die Nachjustierungen auf mehreren Ebenen (Patientenklassifikationssystem, Kalkulation, Kodierung, Abrechnung, Mengensteuerung, Budgetierungsregelungen, Qualitätssicherung) betrachten. Dabei erscheint es notwendig, das inzwischen hoch komplexe System auch durch gezielte Anpassungen in den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zu entschlacken. Es sollte akzeptiert werden, dass das G-DRG-System keine „eierlegende Wollmilchsau“ ist und seine Praktikabilität sowie Akzeptanz unter der Überfrachtung mit Erwartungen gelitten haben. Würden beispielsweise Finanzierungsbestandteile, bei denen sich die Anreize einer Fallpauschalierung nicht bewähren, „vor die Klammer“ gezogen und unabhängig vom G-DRG-System finanziert, kann eine Weiterentwicklung des G-DRG-Systems die Komplexität auch reduzieren. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem Gutachten 2018 den hohen Anteil des DRG-Erlösbudgets an der Betriebskostenfinanzierung kritisiert (SVR 2018). Je höher dieser Anteil ist, umso differenzierter und damit komplexer wird das G-DRG-System sein. Ohne eine konkretere ordnungspolitische Zukunftsperspektive sind Weiterentwicklungspotenziale und -bedarf des G-DRG-System daher schwer zu definieren. Allerdings bieten die bestehenden Strukturen und bisherigen Erfahrungen eine gute Basis, die Herausforderungen zur Weiterentwicklung des G-DRG-Systems zu meistern.

In Reflektion des Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetzes (PpSG) können die Weiterentwicklungsperspektiven des G-DRG-Systems nicht unabhängig von der Zukunft der Finanzierung der Pflegepersonalkosten betrachtet werden. Auch wenn eine dauerhafte, über den Zeitraum des Fachkräftemangels hinausgehende krankenhausindividuelle Finanzierung der Pflegebudgets der Krankernhäuser nach dem Selbstkostendeckungsprinzip nur schwer vorstellbar ist, gilt diese Finanzierung zunächst ab 2020. Die Bedeutung variabler Kosten innerhalb der DRG-Pauschale steigt, während der Anteil insbesondere verweildauerabhängiger Fixkosten durch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten sinkt. Sollen die Pflegepersonalkosten dauerhaft unabhängig von der Fallpauschalierung finanziert werden, bedürfte es einer mehrjährigen umfassenden Revision des G-DRG-Systems zur durchgängigen Wiederherstellung kostenhomogener Fallgruppen. Radikale Veränderungen sollten jedoch nur dann vorgenommen werden, wenn keine kurzfristige Reintegration der Pflegepersonalkosten in das G-DRG-System erfolgen soll. Wird den Forderungen anderer Berufsgruppen, die ebenfalls eine Ausgliederung ihrer Kosten aus dem G-DRG-System fordern, gefolgt, stellt sich grundsätzlich die Systemfrage.

4 Jährliche DRG-Kalkulation

Datengetrieben heißt nicht zwangsläufig sachgerecht. Bei hohem Fixkostenanteil stellen Fallkosten in der DRG-Kalkulation immer nur die Realität einer historischen Momentaufnahme unter Berücksichtigung der Auslastung und des Fallmix in einem Krankenhaus dar. Darüber hinaus nehmen die Regeln der Kostenzuordnung und -verteilung einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse der Kalkulation. Aufwendigere Fallkollektive können nur dann von weniger aufwendigen Fallkollektiven innerhalb des DRG-Systems getrennt werden, wenn sich dies auch an den Kostendaten nachweisen lässt und die medizinischen Daten eine Trennung auf der Ebene der Beschreibung von Fallkollektiven ermöglichen. Die Einflüsse der Methodik und Qualität der DRG-Fallkostenkalkulation auf die Ergebnisse sind nicht zu unterschätzen.

4.1 Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe

Lange Zeit war die Teilnahme an der DRG-Fallkostenkalkulation freiwillig. Für spezialisierte Krankenhäuser mit hohen Fallzahlen und vergleichsweise niedrigen Kosten konnte sich eine Teilnahme jedoch negativ auf die eigenen Erlöse auswirken, sodass die Motivation zur Teilnahme solcher Krankenhäuser an der Kalkulation gering war. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und die Selbstverwaltungspartner ermächtigt, ausgewählte, vorwiegend in bestimmten Leistungssegmenten fallzahlstarke Krankenhäuser („Hauptleistungserbringer“) zur Teilnahme an der Kalkulation zu verpflichten (KHSG 2015). Als Folge werden Krankenhäuser mit niedrigen Fallzahlen und schlechterer Kostenstruktur in der Kalkulationsstichprobe unterrepräsentiert bleiben. Es ist daher kritisch zu hinterfragen, ob die einseitige Verpflichtung der Hauptleistungserbringer die Repräsentativität der Stichprobe, bezogen auf die aktuelle bundesdeutsche Krankenhauslandschaft, tatsächlich verbessert. Sie kann dazu beitragen, dass für spezialisierte Leistungen durch die überproportionale Beteiligung großer Leistungseinheiten vergleichsweise niedrigere Bewertungsrelationen resultieren und es in Bezug auf den Bundesdurchschnitt zu Verzerrungen kommt.

Diese Selektion der Kalkulationsteilnehmer unterstützt die Anreize zur Zentralisierung und Konzentration von Leistungen in großen Einheiten. Meist dürfte dies versorgungspolitisch auch erwünscht sein. Dort jedoch, wo Leistungen der Grundversorgung von einer Dominanz großer Leistungserbringer betroffen sind, kann die veränderte Stichprobe den ökonomischen Druck auf kleinere Leistungseinheiten erhöhen, wie dies beispielsweise in der Geburtshilfe zu beobachten ist. Ob diese Problematik über die fallpauschalierte Vergütung oder z. B. durch Sicherstellungzuschläge wie etwa in Bayern für die Geburtshilfe gelöst wird, ist im Rahmen der gesundheitspolitischen Zielausrichtung zu diskutieren.

4.2 Einhaus-Kalkulationsansatz

Mit dem Einhaus-Kalkulationsansatz werden alle Fälle der Kalkulationskrankenhäuser für die G-DRG-Systementwicklung und Ableitung der Bewertungsrelationen zusammengefasst, als kämen sie aus einem einzigen großen „Krankenhaus Deutschland“. Krankenhäuser weisen jedoch in Abhängigkeit vom Versorgungsauftrag sowie von der Größe, den Personalkosten, der Infrastruktur und der Auslastung unterschiedliche fallbezogene Kostenstrukturen auf.

Ergebnisse der G-DRG-Fallkostenkalkulation sind – mit Ausnahme der bewerteten Zusatzentgelte – nicht mittlere Preise, sondern aus den Durchschnittskosten abgeleitete relative Leistungsbewertungen (Bewertungsrelationen). Die Landesbasisfallwerte, mit denen die dimensionslosen Bewertungsrelationen zur Ermittlung der Vergütung multipliziert werden müssen, werden jährlich nach komplexen Vorgaben durch die Selbstverwaltungspartner verhandelt. Sie sollen gewährleisten, dass in der Mehrzahl der Krankenhäuser die erbrachten Leistungen refinanziert werden. Die Landesbasisfallwerte liegen über der zur Normierung des G-DRG-System genutzten Bezugsgröße. Im Mittel sind daher die Erlöse für einen Normallieger ca. 15 % höher als die mittleren Kosten in der DRG-Fallkostenkalkulation. Der so genannte „Landesbasisfallwerthebel“ wirkt krankenhausunabhängig auf alle DRG-Leistungen und Kostenarten, wenn auch inzwischen auf Sachkosten in geringerem Umfang. Er berücksichtigt nicht, dass sich Kosten krankenhaus- und DRG-spezifisch unterschiedlich entwickeln. Im Jahr der Anwendung können daher für bestimmte Leistungserbringer und DRGs Über- und Unterfinanzierungen resultieren, die Einfluss auf die Leistungsausrichtungen nehmen können. Wird das Vergütungsniveau bei einer Einhaus-Kalkulation so festgelegt, dass die Mehrzahl der Krankenhäuser nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, werden effizientere Strukturen tendenziell übervergütet. Dieses Prinzip ist der Fallpauschalierung nicht fremd. Durch die Möglichkeit, Margen zu erwirtschaften, wird der gewünschte Anreiz zur Effizienzsteigerung gesetzt.

Krankenhäuser, die als versorgungsrelevant anerkannt werden, müssen auch eine adäquate Betriebskostenfinanzierung unter Berücksichtigung der Vorhaltekosten und der erbrachten Leistungsmenge erhalten. Eine reine Finanzierung über erbrachte Leistungen berücksichtigt bei kleinen Leistungsmengen nicht ausreichend notwendige Mindestvorhaltungen, die sich nicht beliebig, bezogen auf die Leistungsmenge, skalieren lassen. Es ist wahrscheinlich, dass bei vielen DRGs die Leistungsmenge mit den Kosten umgekehrt proportional assoziiert ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Geburtshilfe, deren individuelle Fallkosten bei einer Rund-um-die-Uhr-Vorhaltung an 365 Tagen im Jahr in erheblichem Ausmaß von der Zahl der Geburten abhängen. Die Kalkulation und Vergütung eines einheitlichen Durchschnittspreises bzw. einer durchschnittlichen Bewertungsrelation, die als Grundlage für alle Krankenhäuser unabhängig von deren Größe und Leistungszahlen gleichermaßen zur Anwendung kommt, ist problematisch. Krankenhäuser mit großen Leistungsmengen werden tendenziell mit dieser Durchschnittsvergütung übervergütet, während Krankenhäuser mit kleiner Leistungsmenge untervergütet werden. Diese Form von Über- und Untervergütung ist nicht Ausdruck wirtschaftlichen oder unwirtschaftlichen Handelns oder entsprechender Prozessorganisation, sondern allein durch die Größe, die Lage und den Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses bestimmt. Ansatzpunkte für das Krankenhausmanagement sind im Wesentlichen Fallwachstum, Selektion und Spezialisierung. Die auf der Ebene des einzelnen Krankenhauses rationalen Steuerungsansätze müssen nicht zwangsläufig eine rationale Struktur- und Krankenhausplanung unterstützen. Um hierauf zu reagieren, hat der Gesetzgeber die Selbstverwaltungspartner ermächtigt, Bewertungsrelationen auch in Abhängigkeit von der Fallzahl abgestuft vorzugeben. Diesen Auftrag hat er jedoch begrenzt auf „Leistungen, bei denen in erhöhtem Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen eingetreten oder zu erwarten sind“ (§ 17b KHG). Die derzeitige Auswahl und Gestaltung (G-DRGs I68D und I68E) ist jedoch weder inhaltlich noch unter dem Aspekt des Umsetzungsaufwands nachvollziehbar.

Die qualitätsorientierte Zentralisierung/Leistungskonzentration führt dazu, dass Fallmengen in spezialisierten Zentren steigen, bei gleichzeitiger Fallreduktion in der Basisversorgung. Im Sinne der Weiterentwicklung einer adäquaten Leistungsfinanzierung wäre die Nutzung mengenabhängig abgestufter Bewertungsrelationen zu prüfen, um unterschiedliche Kostenstrukturen in Abhängigkeit von der Leistungsmenge abzubilden. Würde die Krankenhausplanung entscheiden, welche Strukturen versorgungsrelevant sind oder nicht, könnten abgestufte Bewertungsrelationen zu einem faireren Wettbewerb innerhalb der Peergroup beitragen und die Akzeptanz des Vergütungssystems erhöhen. Bei Krankenhäusern, die derzeitig allein aufgrund von Mengeneffekten Gewinne erwirtschaften, könnten Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden. Der mit Fehlanreizen assoziierte „Landesbasisfallwerthebel“ könnte möglicherweise reduziert werden. Nicht als versorgungsrelevant eingestufte Krankenhäuser oder Bereiche derselben könnten dem Wettbewerb mit den effizientesten Strukturen ausgesetzt werden.

Die bereits etablierten mengenabhängig abgestuften Bewertungsrelationen werden von der jährlichen Fallzahl pro DRG abhängig gemacht. Dies erfordert eine prospektive Mengenschätzung und ggf. nachträgliche Ausgleiche. An den Fallzahlschwellen kann es jedoch zu paradoxen Effekten kommen, wenn beispielsweise ein Fall mehr zu einer erheblichen Casemix-Reduktion führen kann, weil die niedrigere Bewertungsrelation auf alle Fälle angewandt werden muss. Sollten mengenabhängig abgestufte Bewertungsrelationen zukünftig vermehrt genutzt werden, ist daher alternativ auch denkbar, dass mit steigender Anzahl der abgerechneten Fälle pro Jahr sukzessive niedrigere Bewertungsrelationen im Sinne einer gleitenden Erlösdegression zum Ansatz kommen.

Sich aus der Fixkostendegression ableitende Instrumente sind auch aus der Mengensteuerung bekannt (Fixkostendegressionsabschlag/Erlösausgleiche). Diese haben jedoch eine gänzlich eine andere Funktion und Zielsetzung. Der Fixkostendegressionsabschlag für vereinbarte Mehrleistungen stellt einen zeitlich für drei Jahre befristeten Abschlag auf eine Mengensteigerung dar. Er ist unabhängig von der Ausgangsmenge und bezieht sich nur auf den zusätzlich verhandelten Casemix. Krankenhäuser erkaufen sich so Wachstum über eine dreijährige Rabattierung. Der Fixkostendegressionsabschlag hat daher keinen Bezug zu einer sachgerechten Finanzierung, sondern soll Mengensteigerungen unattraktiver machen. Im Gegensatz dazu wirken abgestufte Bewertungsrelationen für alle Leistungen dauerhaft wie die Fixkostendegression selbst und DRG-spezifisch. Innerhalb des G-DRG-Systems würden diese nur zu einer Umverteilung über eine Reduktion der Unter- und Übervergütungen aufgrund von Skaleneffekten führen. Eine Rabattierung des Casemix erfolgt bei abgestuften Bewertungsrelationen nicht.

Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen empfiehlt in seinem Gutachten 2018 im Prinzip eine Abkehr vom Einhaus-Vergütungsansatz (SVR 2018). Der vorgeschlagene Weg über eine vorherige Definition von Versorgungsstufen (ggf. auf Fachabteilungsebene) und die Nutzung von Multiplikatoren auf die Bewertungsrelationen hat eine stark strukturverändernde Zielrichtung und wäre in seiner Wirkung von der konkreten politischen Ausgestaltung abhängig. Technisch ist fraglich, ob ein solcher Ansatz strukturbezogene Unter- und Übervergütungen reduziert. Auch hier stellt sich die Frage, ob das G-DRG-System nur benutzt werden soll, um notwendige strukturpolitische Entscheidungen im Rahmen der Krankenhausplanung zu ersetzen.

Alternative Vergütungsmodelle, insbesondere zur Herstellung einer sachgerechteren Vergütung der Krankenhäuser unter Berücksichtigung der Größe und der Leistungsmenge sowie der Vorhaltekosten, könnten vom InEK simuliert werden. Das InEK verfügt über die § 21-Daten aller Krankenhäuser sowie über differenzierte Kostendaten aus der Kalkulationsstichprobe.Footnote 1 Mit diesen Daten ließe sich simulieren, wie zum Beispiel Finanzierungsmodelle mit der Kombination einer Grundvergütung der Vorhaltekosten sowie einer DRG-basierten Vergütung von fallbezogenen Kosten auf die unterschiedlichen Größenklassen der Krankenhäuser wirken würden. Unter Berücksichtigung der Menge der erbrachten Leistungen einzelner Leistungsbereiche beziehungsweise der Gesamtmenge der Krankenhäuser könnten die Vergütungen abgestaffelt werden. Derzeit werden, um den höheren, nicht über die Budgets gedeckten Kosten Rechnung zu tragen, ab 2020 120 kleine Krankenhäuser pauschal mit jährlich 400.000 € unterstützt (Liste der Krankenhäuser gemäß § 9 Abs. 1a Nr 6 KHEntgG für das Jahr 2020, die sich auch potenziell für einen Sicherstellungszuschlag qualifizieren). Diese Unterstützung ist jedoch unabhängig von der individuellen Fallmenge, der DRG-Mischung und der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Krankenhauses.

4.3 Sachkostenkorrektur

Die Sachkostenkorrektur stellt einen politisch intendierten Eingriff in die Kalkulation der Bewertungsrelationen dar. Grund für die gesetzliche Vorgabe waren vermutete Einflüsse des hohen Landesbasisfallwerthebels auf die Mengenentwicklung bei sachkostenlastigen DRG-Leistungen (Bundesregierung 2015: Gesetzesbegründung zum KHSG 2015). Die resultierende Sachkostenabwertung wirkt nach dem InEK-Konzept derzeit pauschal auf alle in den Spalten 4a/b (Medikamente), 5 (Implantate), 6a/b (medizinischer Sachbedarf) und 6c (extern bezogene Leistungen) gebuchten Kosten (Sachkostenvereinbarung 2016). Zudem muss beachtet werden, dass die Sachkostenabwertung ausschließlich bei der Überführung der Kosten der InEK-Matrix in Bewertungsrelationsanteile ansetzt und damit für krankenhausinterne Steuerungsmechanismen nicht offensichtlich ist. Nutzen Krankenhäuser ohne weitere Anpassungen die unveränderte InEK-Kostenmatrix für krankenhausinterne Verteilungsprozesse, so kann die gewollte Anreizwirkung der Sachkostenabwertung verloren gehen. Allenfalls für spezielle G-DRGs mit sehr hohem Sachkostenanteil und entsprechender Abwertung käme es zu einem wahrnehmbaren Erlösrückgang – allerdings bei trotz Reduktion weiterbestehendem Hebel auf die Sachkosten von ca. 7 % (2019). Bei der bestehenden Ausrichtung der DRG-Definitionen an der Gesamtkostenhomogenität werden regelhaft sachkostenlastige mit weniger sachkostenlastigen Leistungen in einer DRG zusammengefasst. Als Beispiel können die DRGs in der Herz-Kreislauf-Medizin genannt werden. Die Sachkostenkorrektur wirkt damit in sehr unterschiedlichem Maß auf die Kostendeckung der unterschiedlichen Fallkollektive in einer DRG. Bei der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten gehen zudem aus den Sachkosten umverteilte Erlösanteile entgegen der ursprünglichen politischen Zielsetzung verloren. Es zeigt sich, dass die Zunahme der Komplexität durch politisch intendierte Eingriffe schwer kontrollierbare Auswirkungen bei Reformen haben kann. Könnten durch Weiterentwicklung des G-DRG-Systems wie beispielsweise abgestufte Bewertungsrelationen, Strukturfinanzierung und Förderprogramme außerhalb der DRG-Logik der Landesbasisfallwerthebel reduziert und parallel vermehrt Zusatzentgelte für sachkostenlastige Leistungen genutzt werden, sollte das Konzept der Sachkostenkorrektur überprüft werden.

4.4 Gesamtkostenhomogenität

DRGs sind kostenhomogene Fallgruppen, die mehr oder weniger homogene medizinische Fallkollektive umfassen. Gerade im G-DRG-System wurden in den vergangenen Jahren medizinisch sehr inhomogene DRGs auf Grundlage der Fallkostenhomogenität gebildet, wobei die Zusammensetzung der Gesamtkosten nach Kostenarten keine bedeutende Rolle für die DRG-Definition einnahm. Dies konnte bereits in der Vergangenheit aufgrund von Verweildauerunterschieden, der Outlier-Finanzierung und der Sachkostenkorrektur zu nicht sachgerechten Ergebnissen in Bezug auf spezielle Leistungen führen. Nach Ausgliederung der Pflegepersonalkosten können stark kosteninhomogene DRGs resultieren. Entstehende Fehlanreize nach Ausgliederung der Pflegekosten sind nur über eine umfangreiche Neustrukturierung des G-DRG-Systems zu verhindern. Die Bewältigung einer solchen Mammutaufgabe ergäbe nur dann einen Sinn, wenn die Trennung der Pflegepersonalkosten und der restlichen Kosten dauerhaft bestehen bleiben soll. Sollen hingegen mittelfristig die Pflegepersonalkosten wieder in das G-DRG-System integriert werden, wäre es nicht sinnvoll, 15 Jahre Systementwicklung über Bord zu werfen.

Dies betrifft auch die Entwicklung der zur Definition von DRGs entwickelten Attribute (OPS-Kodes, ICD-Kodedifferenzierungen und Funktionen) und insbesondere auch der Matrix für den Nebendiagnosenschweregrad (PCCL). Viele dieser Attribute sind mit langen Verweildauern und hohen Pflegekosten assoziiert. Werden die Pflegekosten dauerhaft unabhängig von den G-DRGs finanziert, bedürfte es neuer Attribute oder einer Revision vieler bestehender Attribute und Funktionen.

Normative Eingriffe, die zu einer politisch gewollten Ressourcenverschiebung bei der DRG-Fallkostenkalkulation erfolgten, wie beispielsweise die Nutzung des Pflegekomplexmaßnahmen-Scores (PKMS) zur Kostenverteilung, sollten im Kontext der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten auch noch einmal hinsichtlich der Wirkung evaluiert werden.

5 Struktur und DRG-Definitionen

Ursprünglich sollte das G-DRG-System nur 600 bis 800 G-DRG-Fallpauschalen umfassen (Vereinbarung über die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems nach § 17b KHG, 2000). In der Version 2019 liegt die Zahl der G-DRGs bei 1.318, nachdem zwischen 2009 und 2015 noch eine Art Plateau bei ca. 1.200 G-DRG-Fallpauschalen erreicht war (InEK GmbH: Abschlussberichte 2009–2015). Die Zahl der unbewerteten G-DRGs ist seit 2007 relativ konstant. Welchen Einfluss die Ausgrenzung der Pflegepersonalkosten ab 2020 auf die Anzahl und Definitionen der G-DRGs haben wird, bleibt abzuwarten.

Mit der Anzahl der G-DRGs hat sich auch die Komplexität der DRG-Definitionen deutlich erhöht und lässt sich vielfach kaum noch nachvollziehen – von den DRG-Bezeichnungen ganz zu schweigen. Allein die Definitionsgrafik der G-DRG I08A (And. Eingr. Hüftgel. mit kompl. Proz. od. Eingr. in Komb. Hüftg. und ob. Extr. od. WS od. best. kompl. Fakt. mit best. Eingriffen mit best. Diag. od. best. Beckenrepos. od. kompl. Fakt. od. kompl. Proz. od. Diag. od. äuß. schw. CC bei BNB WS und Becken) erstreckt sich im DRG-Definitionshandbuch inzwischen bereits über 17 Seiten (InEK GmbH: G-DRG-Definitionshandbuch 2019 Band 2). Kalkuliert wurde diese G-DRG für 2019 auf Grundlage von nur 183 Fällen (InEK GmbH: G-DRG-Report-Browser 2017/19).

Trotz Zunahme der Komplexität der Leistungsabbildung in den G-DRG-Fallpauschalen ist der Pauschalierungsgrad seit vielen Jahren gleichleibend hoch. Bereits 70 G-DRG-Fallpauschalen (ca. 5 %) reichen aus, um die Hälfte aller Krankenhausfälle in Deutschland abzubilden, 200 G-DRG-Fallpauschalen (ca. 15 %) reichen für drei Viertel der Krankenhausfälle aus (InEK GmbH: Abschlussbericht für 2019). Die 250 G-DRGs mit der geringsten Anzahl an Normalliegern weisen einen mit dem G-DRG-Browser nicht quantifizierbaren – da zu geringen Anteil – an der Kalkulationsstichprobe auf. Ein nicht unerheblicher Teil der G-DRGs und der Komplexität ist damit praktisch nicht wirklich direkt relevant. Von den 1.480 Krankenhäusern, die Daten nach § 21 KHEntgG liefern, rechnen weniger als die Hälfte mehr als 400 unterschiedliche G-DRGs ab, weniger als 200 Krankenhäuser benötigen mehr als 700 der verfügbaren 1.318 G-DRGs (InEK GmbH: Abschlussbericht für 2019). DRGs mit kleinen Fallzahlen dokumentieren einerseits den Versuch, Extremkostenfälle sachgerecht abzubilden, sowie andererseits bestehende hochkondensierte G-DRGs von Ausreißerfällen rein zu halten und so den hohen Pauschalierungsgrad zu erhalten. Von den 1.271 bundesweit bewerteten G-DRGs wurden 149 auf Grundlage von weniger als 100 Fällen, 60 auf Grundlage von weniger als 50 Fällen und 21 auf Grundlage von weniger als 25 Fällen kalkuliert (InEK GmbH: G-DRG-Report-Browser 2017/19). Die Reliabilität und Validität der auf dieser Basis kalkulierten Bewertungsrelationen dürfte gering sein. Interessant wäre, ob sich die G-DRG-Klassifikation in den Bereichen mit geringen Fallzahlen nicht nur an den historischen Daten, sondern auch im Jahr der Anwendung als sachgerecht erweist. Die jährlich erheblich schwankenden Bewertungsrelationen und Verweildauerwerte dieser G-DRGs lassen dies nicht vermutenFootnote 2. Auswertungen hierzu wurden allerdings bislang nicht veröffentlicht. Wenn jedoch die aus historischen Daten ermittelten DRGs für Extremkostenfälle und ihre Bewertungsrelationen wenig Vorhersagewert für zukünftige Extremkostenfälle besitzen, ist eine sachgerechte Finanzierung hiermit fraglich.

Die Weiterentwicklungsperspektive des G-DRG-Systems ist daher eher in einer Konsolidierung und Vereinfachung der Klassifikation zu sehen. Dies kann nur dann gelingen, wenn zur Finanzierung von Extremkostenfällen, seltenen Konstellationen und bestimmten Vorhaltungen andere Wege als die reine Fallpauschalierung gesucht werden. Dies bietet sich insbesondere in den Leistungsbereichen an, wo die Anreize der Fallpauschalierung ohnehin kritisch zu hinterfragen sind: Neonatologie, Polytraumata, Verbrennungsopfer, die Transplantationsmedizin, die Palliativmedizin, aber auch spezialisierte frührehabilitative Leistungen, die häufig Kombinationsleistungen oder Add-on-Leistungen darstellen. All diesen Leistungen ist gemeinsam, dass der ökonomische Anreiz zur Ressourcen- und insbesondere Verweildauerreduktion verbunden mit dem Anreiz zur Fallzahlsteigerung bestenfalls als wenig zielführend bezeichnet werden kann. Auch handelt es sich um Leistungen, die nicht an allen Krankenhäusern erbracht werden. Damit würde eine Ausgliederung aus dem G-DRG-System nur die betroffenen Krankenhäuser tangieren, während derzeit viele Krankenhäuser unter der Komplexitätszunahme der G-DRG-Klassifikation mit dem Ziel der Abbildung aller Spezialitäten leiden.

Zu diskutieren ist auch eine Ausgliederung der Intensivmedizin aus der DRG-Finanzierung. In der Intensivmedizin sind die Anreize der Fallpauschalierung kritisch zu hinterfragen. Viele Extremkostenfälle verursachen aufgrund der intensivmedizinischen Anteile Kostenausreißer und das G-DRG-System hat gerade in diesem Bereich (prä-MDC, Langzeitbeatmungs-DRGs, DRGs für Intensivmedizinische Komplexbehandlung, Funktionen komplizierender Konstellationen) eine wahrhafte Aufblähung erfahren. Im G-DRG-System 2019 existieren bereits 26 unterschiedliche Funktionen „komplizierender Konstellationen“, die vorrangig zur Abbildung der Intensivmedizin dienen. Die Anzahl der G-DRGs, die in ihren Definitionen Attribute der Intensivmedizin nutzen, ist kaum noch zu ermitteln. Ohne Einbezug der Intensivmedizin könnte das G-DRG-System erheblich vereinfacht werden. Herausfordernd an einer Ausgliederung sind die fehlende Definition der Intensivmedizin und schwer zu operationalisierende Ein- und Austrittskriterien, da kurzzeitige z. B. postoperative Intensivüberwachungen selbstverständlich weiterhin der Fallpauschalierung unterliegen könnten. Wird eine DRG-bezogen durchschnittliche Intensivverweildauer jedoch überschritten, könnte eine additive Finanzierung über Tagespauschalen erfolgen, die die Mehrkosten ausgleichen. Aus der durch die Pflegepersonaluntergrenzen nochmals verschärften Diskussion über die Definition von Intensivtherapie werden sich klarere Beschreibungen ergeben, die sich dann auch tagespauschalieren lassen.

DRG-Systeme versuchen, medizinische und ökonomische Homogenität zu vereinen. Das G-DRG-System hat in seiner Entwicklung aus Gründen der Vergütungsgerechtigkeit die Kostenhomogenität zu Lasten der medizinischen Homogenität der Fallgruppen deutlich priorisiert. Ein Einsatz des G-DRG-Systems außer zu Zwecken der Krankenhausfinanzierung ist daher kaum vorstellbar. Wenn die medizinische Homogenität noch weiter in den Hintergrund tritt, kann die Anzahl der Fallgruppen und die Komplexität noch einmal deutlich reduziert werden. Gerade bei Fällen mit geringer Verweildauer und geringen variablen Kosten bedarf es keiner subtilen Differenzierung nach Kosten, die die Streuungsmaße (z. B. Standardabweichung der Kosten) erheblich unterschreiten. G-DRGs mit geringen Fallzahlen, die keine hohen Kosten und auch im Hinblick auf die Verweildauer/Outlier keine Auffälligkeiten aufweisen, könnten aufgelöst und die Fallkollektive vergleichbaren G-DRGs zugeordnet werden (beispielsweise I33Z, F41A, K03A, L63A, S65A, …). Nicht selten werden vergleichbar aufwendige Fälle in Abhängigkeit der Wahl der Hauptdiagnose unterschiedlichen G-DRGs zugeordnet. Grund dafür ist die Strukturierung des G-DRG-Systems in so genannte Hauptdiagnosekategorien (MDCs). Dabei wird häufig über die Wahl der Hauptdiagnose bei der Abrechnung von Einzelfällen zwischen Krankenhaus, Medizinischem Dienst und Kostenträger gestritten. Sowohl eine Reduktion der Komplexität des G-DRG-Systems als auch der Abrechnungsstreitigkeiten könnte durch eine Auflösung und Zusammenfassung von MDCs, die medizinisch verwandte Fallkollektive oder Leistungen enthalten (z. B. MDC 18A/MDC 18B, MDC 06/MDC 07 oder MDC 11/MDC 12/MDC 13), erreicht werden.

6 Klassifikationssysteme und Kodierrichtlinien

Die DRG-Definitionen basieren vielfach auf Attributen, die den Klassifikationssystemen (ICD-10-GM und OPS) entnommen werden. Das auf Kostendaten basierende G-DRG-System kann sich dabei nur in dem Umfang weiterentwickeln, in dem Attribute zur Erklärung der Kostenunterschiede zur Verfügung stehen und eine inhaltliche Konsistenz der Attribute über die Zeit erhalten bleibt. Im Fall der Komplexbehandlungen können dabei ganze Versorgungsstrukturen gefährdet werden (Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft 2018Footnote 3). Es wäre daher sinnvoll, bei der inhaltlichen Interpretation von Attributen im Rahmen der Anwendung des G-DRG-Systems primär die Funktionalität des G-DRG-Systems zu beachten und Systemaspekten mehr Bedeutung beizumessen. Dazu gehören auch verbindliche Methoden der kurzfristigen Klarstellung in Streitfragen, um eine systemschädliche und widersprüchliche Rechtsprechung zu vermeiden.

Um den reibungslosen Einsatz des G-DRG-Systems zu gewährleisten, sollte es vermieden werden, für die Erklärung von Kostenunterschieden irrelevante Kriterien in den OPS-Katalog aufzunehmen. Sollen zusätzliche Kodes für andere Zwecke wie beispielsweise eine routinedatengestützte Versorgungsforschung oder die Qualitätssicherung aufgenommen werden, sollten diese nicht mit den OPS-Aufwandsattributen für das G-DRG-System vermischt werden. Seit Beginn der G-DRG-Abrechnung haben es eine Vielzahl von Struktur- und Prozessqualitätskriterien in die OPS-Kodes geschafft (insbesondere Kodegruppe 8-97…8-98 Komplexbehandlung). Hinzu kommen zum Teil komplexe Dokumentationsvorgaben, die erst durch die Auslegung der Rechtsprechung entstanden sind (beispielsweise Bundessozialgericht 2017Footnote 4). Ebenso finden sich Versuche wieder, unterschiedliche Fachdisziplinen und Spezialsierungen in den Kriterien von OPS-Kodes abzugrenzen. Eine Bereinigung der OPS-Kodes ist dringend geboten, zumal zukünftig anhand der Kriterien Strukturprüfungen mit nachfolgendem Leistungsausschluss gesetzlich vorgeschrieben werden sollen (Kabinettsentwurf zum MDK-Reformgesetz: § 275d SGB V und § 8 Abs. 4 KHEntgG). Für ein System, das sich auf Grundlage reiner Kostendaten weiterentwickelt, stellen Facharztprovenienz oder Entfernungen zu Kooperationspartnern Attribute dar, die nur in den seltensten Fällen Kostenunterschiede erklären können. Die Aufnahme von Qualitätsmerkmalen in Prozedurenkodes schwächt die Sachgerechtigkeit und Akzeptanz der G-DRG-Finanzierung (siehe auch Bundesrat 2019). Für eine evidenzbasierte Qualitätssicherung von erbrachten Krankenhausleistungen sind der G-BA und das IQTIG zuständig. Auch die „Lizenz zur Leistungserbringung“ für ein Krankenhaus ist transparent und nicht „durch die Hintertür des G-DRG-Systems“ zu regeln. Kriterien für die Zulässigkeit von Mindestkriterien könnten in der geplanten Verfahrensordnung des DIMDI (§ 295 Abs. 1 Satz 7 SGB V, Kabinettsentwurf zum MDK-Reformgesetz) festgelegt werden. Eine klare Definition der Anforderung an OPS-Kodes sowie eine strukturierte Beratung der Antragsteller neuer Anpassungsvorschläge zum OPS durch das DIMDI und InEK wäre sinnvoll.

Die ICD-10 wurde von der WHO nicht gezielt zur Anwendung in fallpauschalierenden Vergütungssystemen entwickelt. Die nationalen Anpassungsmöglichkeiten im Rahmen der ICD-10-GM (GM: German Modification) sind limitiert. Selbst in Deutschland wird die ICD-10-GM für viele unterschiedliche Zwecke eingesetzt und dient nicht ausschließlich der Weiterentwicklung des G-DRG-Systems. In der nach Krankheitsursachen ausgerichteten ICD-10 fehlt häufig eine passende Schweregraddifferenzierung, um eine Assoziation mit Kosten herzustellen. So kann eine Anämie im Kontext eines stationären Aufenthalts schwerwiegend sein oder unerheblich. In einigen Fällen kann und sollte jedoch eine Schweregraddifferenzierung über eine durch die WHO noch nicht besetzte 4. oder 5. Stelle ergänzt werden, um darüber aus Schweregradunterschieden resultierende Kostenunterschiede besser erklären zu können.

Insbesondere für die Wahl der Hauptdiagnose haben sich seit Einführung des G-DRG-Systems die Struktur und die Möglichkeiten der Mehrfachklassifizierung als problematisch erwiesen. So existieren in der ICD-10-GM Kapitel, die organbezogen definiert sind („Erkrankungen des/der …“), Kapitel, die lebensphasenbezogen sind (z. B. Geburtshilfe, Neonatologie), sowie weitere besondere Kapitel und Kodebereiche, die unterschiedliche medizinische Zustände aufgrund ihrer Verursachung subsummieren (Infektionen, Tumore, medizinische Komplikationen). Erschwerend kommt hinzu, dass gewisse medizinische Zustände verpflichtend oder optional einer Kodierung über eine Primär-Sekundärkode-Kombination unterliegen, ohne dass diesen Alternativen klare und nachvollziehbare Prinzipien zugrunde lägen. Da Hauptdiagnosen aus unterschiedlichen Kapiteln der ICD-10-GM nicht selten auch in unterschiedliche Hauptdiagnosekategorien und damit G-DRGs führen oder eine Mehrfachklassifizierung zu einem höheren Nebendiagnoseschweregrad führen kann, stellen die Fragen der korrekten Anwendung der ICD-10-GM im G-DRG-System einen bedeutenden Anteil an den Abrechnungsstreitigkeiten dar. Für diese ICD-immanente Problematik kann eine Lösung häufig nur auf der Ebene der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) erfolgen, die eine einheitliche Kodierung der Behandlungsfälle für das G-DRG-Systems sicherstellen sollen. Dass vergleichbare Fälle gleich kodiert werden, hat nicht nur eine Bedeutung für die unmittelbare Vergütungsgerechtigkeit, sondern auch für die Kalkulation und Weiterentwicklung des G-DRG-Systems. Weder Krankenhaus noch Kostenträger dürfen sich einem im Einzelfall passend erscheinenden Rechnungsbetrag „herbeikodieren“. Da das DRG-System ein lernendes System sein soll, dürfen selbst systematische Fehlabbildungen nicht über eine Alternativkodierung korrigiert werden. Zur Beseitigung von Fehlabbildungen im G-DRG-System bedarf es Daten, die diese auch offenbaren. Eine „Vermeidungskodierung“ verhindert die Fehlerbehebung im G-DRG-System.

Viele Kodierfragen sind seit Jahren strittig. Die Partner der Selbstverwaltung haben es in der Vergangenheit nicht vermocht, strittige Fragen zu klären und auch der vom Gesetzgeber zur Klärung erdachte Schlichtungsausschuss hat seine Funktion bislang nicht adäquat erfüllt (Bundesregierung 2019: Gesetzesbegründung zum MDK-Reformgesetz 2019). Die Rechtsprechung musste diese Lücke füllen, hat aber wenig zur Reduktion des Streitpotenzials beigetragen. Aspekte der Funktionalität des G-DRG-Systems spielen bei Einzelfallentscheidungen der Gerichte eine untergeordnete Rolle (beispielsweise zuletzt Urteile des Bundessozialgerichts 2019a und 2019b vom 30.07.2019; Fiori et al. 2016). Gelingt die vom Gesetzgeber initiierte (Wieder-)Belebung des Schlichtungsausschuss Bund (§ 19 KHG, Kabinettsentwurf zum MDK-Reformgesetz), können wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung des G-DRG-Systems und eine Befriedung in Abrechnungsstreitigkeiten zur Kodierung resultieren.

Als hemmend für die Weiterentwicklung der Klassifikationssysteme und der DKR hat sich in der Vergangenheit häufig die so genannte zweijährige Kalkulationslücke erwiesen. Werden Entscheidungen getroffen, die zu einer veränderten Kodierung führen, kann sich dies nur auf die Zukunft auswirken. Die Kalkulation und damit die Vergütungshöhe basieren jedoch stets auf historischen Daten, die unter den zum Kodierzeitpunkt herrschenden Anforderungen entstanden sind. Da bei strittigen Konstellationen auf nationaler Ebene meist von einer uneinheitlichen Mischkodierung auszugehen ist, führen Klärungen stets zu einer Veränderung der Krankenhausfinanzierung. Notwendig wäre, die Klärung von Kodierfragen von den Auswirkungen auf die Krankenhausfinanzierung zu trennen, beispielsweise durch eine vorherige Abschätzung der Folgen und spätere Ausgleiche bei datenbasierter Evaluation nach Analyse der Veränderungen in den Daten nach § 21 KHEntgG auf Bundesebene. So könnten – vermutlich völlig streitfrei – die für die Funktionalität des G-DRG-Systems sinnvollsten Lösungen gefunden werden. Wird der Schlichtungsausschuss Bund jedoch bemüht sein, Kompromisslinien entlang der bisherigen Abrechnungspraxis zu finden, um die Auswirkungen auf die Krankenhausfinanzierung zu begrenzen, werden vermutlich nicht immer die für die Weiterentwicklung des G-DRG-Systems sinnvollsten Entscheidungen getroffen.

7 Grenzverweildauern

Die Methode der Ermittlung der mittleren Verweildauer und der Grenzverweildauern, außerhalb derer tagesbezogene Ab- und Zuschläge vorzunehmen sind, ist seit 2004 unverändert (InEK GmbH: Abschlussberichte 2004–2019). Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die ursprünglich aus Gründen des Patientenschutzes eingeführten Grenzverweildauern diesen Zweck erfüllt haben (s. auch Bundessozialgericht 2009, RdNr. 17). Aufgrund der Anreize zu Einzelfallprüfungen durch Kostenträger und fragwürdige Steuerungsstrategien einzelner Krankenhäuser haben die Grenzverweildauern die praktische Anwendung des G-DRG-Systems belastet (Fiori et al. 2011; Fiori et al. 2012). Prüfungen der Überschreitung der unteren Grenzverweildauer stellen die häufigste und vermutlich auch erfolgreichste Prüfung der Kostenträger dar. Sekundäre Fehlbelegungsprüfungen stellen beim MDK Nordrhein mit 43,4 % den mit Abstand häufigsten Prüfgrund dar, gefolgt von Prüfungen der Kodierung mit 30,6 % (MDK Nordrhein 2019). Insbesondere im Kontext der Ausgliederung der stark verweildauerabhängigen Pflegepersonalkosten aus der Finanzierung über die G-DRGs sollte über die Notwendigkeit der Grenzverweildauern und die Methodik der Ermittlung nochmals diskutiert werden. Inzwischen weisen nämlich nicht wenige fallzahlstarke DRGs höhere Fallzahlen außerhalb der Grenzverweildauern als so genannte „Normallieger“ auf. In einigen DRGs liegt die tatsächliche mittlere Verweildauer aller Fälle unterhalb der unteren Grenzverweildauer (z. B. G-DRG E78Z), weshalb hier die sogenannten Kurzlieger eigentlich den Normalfall darstellen. Über die Kurzlieger und die so genannten „impliziten Einbelegungstag-DRGs“ mit einer Grenzverweildauer von zwei Belegungstagen konnten in der Vergangenheit DRGs gespart werden (InEK GmbH: Abschlussbericht für 2005). Diese stetig zunehmende Anzahl an „DRGs in der DRG“ mit hohen Fallzahlen werden bislang nicht in den Daten-Browsern des InEK berücksichtigt, sodass für wachsende Fallkollektive eine sehr eingeschränkte Transparenz besteht. Auch die Kostenzusammensetzung von Langliegern und Langliegerzuschlägen ist wenig transparent (beispielsweise InEK GmbH: Anhang Abschlussbericht für 2019, Tabelle A-1). Durch Veröffentlichung der Kostenmatrizen der Kurz- und Langlieger mit dem G-DRG-Report-Browser könnte mehr Transparenz geschaffen werden.

Werden Kurzlieger- und Verlegungsabschläge bzw. Langliegerzuschläge nach dem ursprünglichen Standard normativ berechnet, kommt das Konzept der Hauptleistung zum Tragen (InEK GmbH: Abschlussbericht für 2006). Dieses leitet sich aus dem Verständnis einer DRG ab, die über einen operativen oder interventionellen Eingriff definiert wird. Bei DRGs mit anderer medizinischer Hauptleistung gehen die Kosten der DRG-definierenden Leistung in die Ab- und Zuschlagsberechnung ein, was zu nicht sachgerechten Ab- und Zuschlägen mit daraus resultierenden Fehlanreizen führen kann. Hiervon dürften z. B. DRGs betroffen sein, die durch die Radiologie erbrachte interventionelle Leistungen abbilden. Auch für spezielle DRGs mit hohen intensivmedizinischen Kostenanteilen resultieren Zuschläge ab Überschreiten der oberen Grenzverweildauer, die bei einer Weiterbehandlung auf einer Normalstation deutliche Überdeckungen produzieren können. Eine Revision der Methodik der Ab- und Zuschlagsberechnung für spezielle DRG-Gruppen könnte zu sinnvolleren Anreizen beitragen.

8 Zusatzentgelte

Die Nutzung von Zusatzentgelten als ergänzende Vergütungsbestandteile für die Finanzierung fallvariabler hoher Sachkosten hat sich bewährt (Roeder et al. 2004). Auch die etablierten Mechanismen zur kurzfristigen Reaktion auf Preisänderungen, beispielsweise beim Auslaufen von Patentschutz, haben die sachgerechte Finanzierung unterstützt. Entsprechend könnten Zusatzentgelte noch häufiger zur Finanzierung variabler Kostenanteile genutzt werden, um die Komplexität in den DRG-Fallgruppen zu reduzieren und auch die Sachgerechtigkeit der Finanzierung erbrachter Leistungen zu verbessern. Im Gegensatz zu einer Finanzierung über DRGs und damit über Bewertungsrelationen und Landesbasisfallwerte entsteht bei einer Finanzierung über Zusatzentgelte kein methodisch bedingter Aufschlag auf die historischen Kosten durch die im Vergleich zur Bezugsgröße höheren Landesbasisfallwerte. Anreize zum Einsatz teurer Medizinprodukte oder Medikamente wären geringer und die Auswirkung problematischer Eingriffe in die DRG-Kalkulation über die pauschal wirkende Sachkostenabwertung könnten vermieden werden. Bei stark fallenden Kosten insbesondere im Bereich der Medizinprodukte könnten Korrekturmechanismen eingeführt werden, die sich an aktuellen Kosten orientieren. Für Medikamente, die den Patentschutz verlieren, sind diese bereits etabliert (Ausgrenzung der historischen Kosten und Etablierung eines unbewerteten Zusatzentgeltes).

9 Abrechnungsregeln

Die Abrechnungsregeln, die überwiegend in der Fallpauschalenvereinbarung und den Erläuterungen hierzu festgelegt sind, dienen unter anderem dazu, die Anreize der fallpauschalierten Vergütung zu unterstützen und Fehlanreize zu unterbinden (Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser 2005–2019). Der Großteil der Regelungen entstammt noch der Ersatzvornahme aus dem Jahr 2003. Die Bedeutung einiger Regelungen ist inzwischen aufgrund widersprüchlicher Rechtsprechung unklar (beispielsweise die Berücksichtigung vor-/nachstationär erbrachter Leistungen bei der DRG-Zuordnung: Bundessozialgericht 2013). Insbesondere die Regelungen zu Fallzusammenführungen waren immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung. Klarstellungen der Selbstverwaltung oder notfalls ein Einschreiten des Gesetzgebers sind gelegentlich notwendig, um die Funktion des Vergütungssystems aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Aufgrund der abnehmenden inhaltlichen Bedeutung der Systemkonstrukte „Partition“ und „Basis-DRG“ sind die Regelungen zur Wiederaufnahme von Patienten heute jedoch nur noch bedingt sinnvoll. Hier könnte eine Weiterentwicklung zu einer festen Zeitgrenze erfolgen, innerhalb derer es grundsätzlich zu Fallzusammenführungen kommt. Auch wenn eine solche Regelung im Einzelfall nicht sachgerecht erscheint, könnte diese nicht nur bei der Abrechnung einfach und wenig streitbefangen umgesetzt werden, sondern auch bei der Kalkulation einer neuen DRG-Systemversion berücksichtigt werden.

10 Methoden der Weiterentwicklung

Auch wenn datengetrieben nicht zwangsläufig sachgerecht bedeuten muss und über die gewählte Methodik das Ergebnis entscheidend beeinflusst werden kann, ist Transparenz bei der Methodik und den Gründen für Entscheidungen wichtig, wenn die Akzeptanz des G-DRG-Systems erhalten bleiben soll. Wünschenswert wären klar operationalisierte und nachvollziehbare Kriterien für die Weiterentwicklung.

Seit Einführung des G-DRG-Systems wird dieses von qualifizierten Verbesserungsvorschlägen im Rahmen des G-DRG-Vorschlagsverfahrens unterstützt (InEK GmbH: Abschlussberichte 2004–2019). Wesentlich hierzu beigetragen haben Fachgesellschaften und andere Akteure im Gesundheitswesen. Durch die Zunahme der Komplexität und Entfernung der G-DRG-Definitionen von klinischen Fallkollektiven ist jedoch eine konstruktive Zuarbeit zunehmend erschwert. Fachgesellschaften können das erforderliche Know-how kaum noch vorhalten oder müssen dieses hinzukaufen. Die zunehmende Komplexität vermindert daher das Weiterentwicklungspotenzial insbesondere aus klinischer Perspektive.

Der jährlich veröffentlichte Abschlussbericht des InEK beschreibt Schwerpunkte der Weiterentwicklung des G-DRG-Systems. Unveränderte Methodik, wie z. B. die Frage der Festlegung der Verweildauergrenzen, Zu- und Abschlagsberechnung, Normierung, Ausgliederung von Kosten bei bestimmten Zusatzentgelten wird nicht mehr dargestellt. Zur Erhöhung der Transparenz und Akzeptanz sollte ein Methodenpapier veröffentlicht werden, das jeweils jährlich angepasst wird und das aktuelle methodische Vorgehen nachvollziehbar beschreibt.

11 Fazit

Das deutsche G-DRG-System hat einen weltweit einmaligen Differenzierungsgrad zum Preis einer hohen Komplexität erreicht. Während es zunächst vornehmlich dazu gedacht war, finanzielle Ressourcen der Versichertengemeinschaft sachgerechter zur Finanzierung von Krankenhausleistungen einzusetzen, wurden die aus der Fallkostenkalkulation stammenden Kennzahlen zunehmend auch für krankenhausinterne Steuerungszwecke und Verteilungsalgorithmen genutzt. Die von klinischem Personal wahrgenommene und negativ besetzte Ökonomisierung (Wehkamp und Naegler 2017; Schumm-Draeger et al. 2017; Deutscher Ärztetag 2019; Albrecht 2019) muss damit nicht ausschließlich Ausdruck des Einsatzes des G-DRG-Systems zur Krankenhausfinanzierung sein. Auch der nicht sachgerechte Umgang mit DRG-Kennzahlen innerhalb von Krankenhäusern sowie die länderseitige Unterfinanzierung der Investitionskosten mit dem daraus folgenden Zwang, Investitionsmittel über die Fallpauschalen systemfremd zu erwirtschaften, haben wahrscheinlich erheblich zum ramponierten Image des G-DRG-Systems beigetragen. Abhilfe können hier schwerlich Veränderungen am G-DRG-System selbst schaffen. Lediglich ein anderer Einsatz des G-DRG-Systems – beispielsweise wie gelegentlich vorgeschlagen als Budgetbemessungsinstrument – würde vermutlich wenig Einfluss auf die krankenhausinternen Steuerungsmethoden haben, die auf den verfügbaren DRG-Kennzahlen aufbauen.

Der mit der Einführung des G-DRG-Systems steigende administrative Aufwand – insbesondere für die überbordenden Einzelfallprüfungen – hat die Akzeptanz des G-DRG-Systems schwer beeinträchtigt. Es bleibt abzuwarten, ob die mit dem MDK-Reformgesetz 2019 geplanten Maßnahmen die Praxistauglichkeit des G-DRG-Abrechnungssystems erhöhen werden. Werden Fallprüfungen statt zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs unter den Krankenhäusern als Wettbewerbselement der Krankenkassen untereinander eingesetzt, kann allerdings kaum mit einem Rückgang des administrativen Aufwands gerechnet werden.

Es sollte vermieden werden, dass in der Systementwicklung Entscheidungen getroffen werden, deren Grundlagen weder methodisch festgelegt noch transparent sind. Auch wenn Entscheidungen im Sinne eines funktionsfähigen Vergütungssystems getroffen werden, können nur transparente Entscheidungsalgorithmen vertrauensbildend wirken und die Akzeptanz des G-DRG-Systems stärken.

Vorhaltungen, die nicht über eine hohe Auslastung refinanzierbar, aber dennoch versorgungsnotwendig sind, lassen sich nicht sinnvoll über eine mengenorientierte einheitliche Fallpauschalierung finanzieren. Diese Form der Einheitspauschalierung wird in der Regel Strukturen begünstigen, die ihre Fixkosten über viele Fälle bzw. einen hohen Casemix refinanzieren können. Der Anreiz zum Wachstum im Sinne von Mehrleistungen ist bei hohem Fixkostenanteil der Fallpauschalierung inhärent. Durch Senkung der Fixkostenanteile pro Fall entwickelt sich mehr Effizienz bei der Leistungserbringung, was bei einem endlichen Bedarf von Krankenhausbehandlungen einen Verdrängungswettbewerb initiiert. Dass dieser nicht zwingend nur zum Marktaustritt versorgungsirrelevanter Krankenhäuser führt, ist naheliegend. Das G-DRG-System kann weder eine Krankenhausplanung noch eine regionale Leistungsplanung ersetzen.

Wird erkannt, dass das G-DRG-System zu keinem Zeitpunkt die Lösung für alle Probleme der Krankenhausfinanzierung bieten konnte und kann, wird ein Großteil der Kritik am G-DRG-System zusammenfallen. Krankenhausplanung, Qualitätssicherung, Notfallversorgung, Aus- und Weiterbildung und zunehmend auch der Leistungsumfang der GKV sind wichtige Themen, die außerhalb der Fallpauschalierung bearbeitet und gelöst werden müssen. Das G-DRG-System bietet neben einer Leistungstransparenz sowie einer sachgerechten Verteilung der zur Leistungsfinanzierung bereitgestellten Mittel im Wesentlichen Anreize zu einer wirtschaftlichen Leistungserbringung. In einem dynamischen Umfeld ist das Weiterentwicklungspotenzial des G-DRG-Systems niemals vollends ausgeschöpft.