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Brandenburg an der Havel

Klinik-Betriebsratschef soll fristlos gekündigt werden

Am zweiten Warnstreiktag ziehen Mitarbeiter des städtischen Klinikums über den Marienberg vor den Krankenhauseingang in der Hochstraße.

Am zweiten Warnstreiktag ziehen Mitarbeiter des städtischen Klinikums über den Marienberg vor den Krankenhauseingang in der Hochstraße.

Brandenburg/H. Es wird wieder schmutzig im Konflikt zwischen der Geschäftsführung des Städtischen Klinikums Brandenburg und Betriebsrat. Wie die MAZ erfuhr, hat das städtische Klinikum dem Vize-Betriebsratschef Andreas Kutsche fristlos gekündigt.

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Als Grund dafür macht die Klinik Arbeitszeitverstöße geltend. Das Betriebsratsgremium, das bei der Kündigung zu beteiligen ist, hat der Kündigung widersprochen. Deshalb will Personalchef Bert Stresow, der am Dienstag nicht erreichbar war, die Kündigung Kutsches über ein Beschlussverfahren am Arbeitsgericht durchsetzen. Montag soll das Verfahren beim Gericht beantragt worden sein.

Andreas Kutsche ist Betriebsrat im Städtischen Klinikum Brandenburg wurde fristlos gekündigt

Andreas Kutsche ist Betriebsrat im Städtischen Klinikum Brandenburg wurde fristlos gekündigt

Die Materie ist kompliziert. Vor einigen Wochen stellte Kutsche, der auch Direktkandidat der Linken für die Landtagswahl und Parteivorsitzender ist, bei einer Betriebsversammlung ein neues Dienstplanprogramm für die Erfassung der Arbeitszeit vor und demonstrierte dies am eigenen Plan.

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Dabei wurde deutlich, dass er eine Aufsichtsratssitzung des Städtischen Klinikums als Arbeitszeit eingetragen hatte. Kutsche ist Mitglied des Aufsichtsrates in seiner Funktion als Betriebsrat und Mitarbeitervertreter. Er erhält für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der zumeist vier AR-Sitzungen im Jahr eine Aufwandspauschale von je 200 Euro.

Arbeitszeit sei abgegolten, sagt der Personalchef

Damit, so scheint Personalleiter Bert Stresow überzeugt, sei die Arbeitszeit abgegolten. Als „oberster Dienstplanaufseher hätte es das wissen müssen, dass das ein Ehrenamt ist“, heißt es aus der Klinikleitung. Klinikchefin Gabriele Wolter ist dienstlich unterwegs und wollte sich trotz Nachfrage nicht äußern.

Andreas Kutsche, der als überkorrekt gilt, sieht das selbst anders: „Seit zehn Jahren bin ich im Aufsichtsrat und das wurde von mir immer so gehandhabt. Wir sind auch genau so geschult.“ Die 200 Euro seien ein symbolischer Betrag für den Mehraufwand im Aufsichtsrat, bei dem es um über 1000 Mitarbeiter und regelmäßig um Millionen gehe. Es gäbe, so räumt er ein, in einem juristischen Kommentar auch eine andere Rechtsauffassung zweier Anwälte. Doch es gäbe keinen Präzedenzfall.

Kutsche: „Habe keinen Fehler gemacht“

Im Übrigen glaube er nicht, einen Fehler gemacht zu haben, „auch wenn sich das in meiner Kündigung so liest, als wäre ich ein Schwerverbrecher.“ Als freigestellter Betriebsrats-Vize kann die Kündigung erst vollzogen werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.

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„Wir werden durch alle Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht gehen, wenn es sein muss“, sagt Kutsche. Das könne Jahre dauern. Er könne nicht ausschließen, dass die Kündigung auch politisch motiviert sei, sagt Kutsche. In der Tat waren erste Gerüchte über die Kündigung kurz vor der Kommunalwahl aufgetaucht.

Mancher sähe einen Einzug Kutsches in den Landtag wohl gerne

Wahrscheinlich ist das aber nicht: Mancher in der Klinikleitung sähe es dem Vernehmen nach gern, wenn Kutsche im September in den Landtag ginge und man in der Folge seines Weggangs einen anderen Gegenüber im Betriebsrat hätte.

Die Klinikleitung hatte Kutsche im Vorfeld der Kündigung zu den Vorwürfen befragt, er hatte eingeräumt, die Sitzungen als Arbeitszeit zu betrachten. Wenn er gemeint hätte, im Unrecht zu sein, „hätte ich ja wohl kaum meinen Stundenzettel an die Wand projiziert.“

Erster Termin vor Gericht steht an

Das Arbeitsgericht wird zum Verfahren in Kürze einen ersten Termin anberaumen. Er werde jetzt weiter seiner Arbeit nachgehen, sagt Andreas Kutsche. Er sei froh, „dass sich alle Mitarbeiter, die davon wissen, hinter mich gestellt haben.“ In der Tat ist Kutsche in der Belegschaft geachtet.

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Die Offene Verdi-Liste und die ihr nahe stehende „Apfelliste“ holen vor einem Jahr bei der Betriebsratswahl 13 der 15 Sitze. Das war ein Erdrutschsieg. Dabei hatte es in der Vergangenheit immer wieder gekracht zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung.

Schon Steinbrink sollte ausgeschlossen werden

Weil es dem Betriebsrat zusammen mit der Verdi gelang, viele teure Vorhaben, wie den Pflegevertrag und Tarifsteigerungen durchzusetzen, gilt Betriebsratsvize Kutsche als erfolgreicher Macher. Der Vorsitzende des Betriebsrates Renato Steinbrink ist seit 2017 still geworden. Er hat durch, was Kutsche jetzt bevorsteht. 2016 wollte die Klinikum-Geschäftsführung durchsetzen, dass Renato Steinbrink aus dem Gremium ausgeschlossen werden soll.

Tatsächlich setzt ihn das Arbeitsgericht Brandenburg ab. Doch in der folgenden Instanz obsiegte Steinbrink. Das kostet Unsummen, die das Klinikum allerdings nicht öffentlich kommuniziert. Bekannt ist, dass zwischen 2011 und 2015 rund 1,12 Millionen Euro für Einigungsstellenverfahren und rechtliche Auseinandersetzungen ausgegeben wurden.

Eigentlich schienen sich die Wogen zu glätten

2018/19 schienen sich die Wogen etwas zu glätten. Nach der Betriebsratswahl machte er ein „Umdenken im Haus aus. Beide Seiten – Geschäftsleitung und Betriebsrat eine das Ziel, qualifizierte Fachkräfte für das Klinikum zu gewinnen und die hohe Arbeitsbelastung zu reduzieren. Die Dienstplankontrolle stehe aber weiterhin im Vordergrund der Arbeit des Betriebsrates“, sagte Kutsche. Nun ist es sein Dienstplan, der ihm zum Verhängnis werden könnte.

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Von Benno Rougk

MAZ

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