Streit bei Asklepios in Hamburg: Zwei Geschichten, eine Lüge

Beide Seiten bezichtigen sich der Lüge: In Hamburg eskaliert der Streit zwischen dem Krankenhauskonzern Asklepios und seinen Beschäftigten.

Eine Pflegekraft hält einen Patienten im Krankenhaus die Hand

Zeit für menschenwürdige Behandlung von Patient:innen? Nicht in Hamburg, sagen Pflegekräfte Foto: Fabian Strauch/dpa

HAMBURG taz | Der Konflikt zwischen Pflegekräften und dem Krankenhausbetreiber Asklepios spitzt sich in Hamburg immer weiter zu: Beide Seiten bezichtigen sich der Lüge. Die Hamburger Krankenhausbewegung, ein Zusammenschluss von Pflegekräften, hatte zuletzt katas­trophale Arbeitsbedingungen und nur unzureichende Versorgung von Kranken auf den Intensivstationen beklagt.

Im Asklepios-Krankenhaus im Stadtteil St. Georg müssten Pflegekräfte derzeit Reinigungsdienste übernehmen und könnten sich deshalb nicht angemessen um Kranke kümmern. Kranke würden allein und ohne Begleitung sterben. Askle­pios wiederum sagt, dass es solche Situationen bislang nicht gegeben habe.

Am vergangenen Donnerstag berichtete Romana Knezevic, eine der Sprecher:innen der Krankenhausbewegung, im „Hamburg Journal“ des NDR von einem massiven Personalmangel im Asklepios-Krankenhaus in St. Georg. Schon seit langer Zeit fehle es an ausreichend Pflegepersonal, nun sei die Situation durch steigende Coronapatient:innen besonders dramatisch. Häufig kämen auf eine Pflegekraft bis zu fünf Intensivpatient:innen. „Das sprengt jeglichen Rahmen“, sagte Knezevic.

Außerdem würden Pfleger:innen nicht zu pflegerischen Tätigkeiten kommen, weil sie Aufgaben der Reinigungskräfte übernehmen müssten. Nicht einmal ausreichend Reinigungspersonal sei demnach vorhanden. Dies führe dazu, dass Patient:innen lange auf Versorgung warten müssten. „Und leider ist nicht immer eine menschenwürdige Sterbebegleitung möglich“, sagte Knezevic im NDR. Pflegekräfte hätten dafür wegen des hohen Arbeitspensums schlicht keine Zeit.

Asklepios hält laut Sozialbehörde die Untergrenzen ein

Asklepios holte nach diesen Vorwürfen umgehend zum Gegenschlag aus. Am nächsten Tag ließ sich Berthold Bein vom NDR interviewen. Bein ist Chefarzt in der intensivmedizinischen Abteilung am Krankenhaus in St. Georg. Er warf Knezevic vor, zu lügen.

Sie sei schließlich nicht auf der Intensivstation beschäftigt. Eine Unterschreitung des Pflegeschlüssels – also wie viele Patient:innen höchstens von einer Pflegekraft betreut werden – sei derzeit zwar als Ausnahme zulässig. „Dennoch halten wir die Untergrenzen ein“, sagte Bein dem NDR. Asklepios sagte der taz am Dienstag, dass dies auch weiterhin der Fall sei.

Eine Sprecherin der Hamburger Krankenhausbewegung

„Dass behauptet wird, es gäbe keine Unterschreitung der Personaluntergrenze, ist falsch und eine Herabwürdigung der Kolleg:innen und Patient:innen“

Auch müssten Pflegekräfte nicht die Aufgabe von Reinigungskräften übernehmen. Dies gelte einzig bei der Reinigung spezieller Geräte, was aber der vorgeschriebenen Tätigkeit entspreche. Niemand würde allein im Krankenhaus sterben.

Die Aussagen Beins wiederum veranlassten die Krankenhausbewegung am Montag zu einem Protest vor dem Krankenhaus in St. Georg. „Dass behauptet wird, es gäbe keine Unterschreitung der Personaluntergrenze, ist falsch und eine Herabwürdigung der Kolleg:innen und Patient:innen“, sagt eine Sprecherin der Krankenhausbewegung der taz, die anonym bleiben möchte.

Krankenhausbewegung sieht Stadt in der Pflicht

Auch sei das Krankenhaus in St. Georg kein Einzelfall. Auf vielen Intensivstationen in Hamburger Krankenhäusern sei die Situation über der Grenze des Belastbaren.

Die Krankenhausbewegung fordert die Stadt zum Eingreifen auf. „Asklepios wird niemals freiwillig Personal aufstocken, um die Kolleg:innen zu entlasten, obwohl das sofort möglich wäre. Der Senat muss endlich Verantwortung übernehmen und die Krankenhausbetreiber dazu anweisen, das kann er jederzeit tun “, sagt die Sprecherin.

Die Sozialbehörde ist für die Kontrolle der Krankenhäuser zuständig. Sie stärkt Asklepios den Rücken. Eine Unterschreitung des Pflegeschlüssels sei derzeit einerseits erlaubt. „Asklepios versichert uns aber, dass das nicht der Fall sei“, teilte die Behörde mit. Eine Anfrage, ob die Sozialbehörde auch regelmäßig kontrolliere, wie die Situation für die Pflegekräfte und die Betreuung der Kranken in den Hamburger Krankenhäusern ist, ließ sie am Dienstag unbeantwortet.

Dass Beschäftigte so offen ihren Konzern attackieren, ist ungewöhnlich. Auch bei der Krankenhausbewegung herrscht Angst. „Beschäftigte, die sich kritisch zu Asklepios äußern, haben mit Repressionen zu rechnen“, sagt die Sprecherin der Krankenhausbewegung.

Nicht der erste Streit

In der Vergangenheit sei es schon zu Abmahnungen oder angedrohten Kündigungen gekommen. Zustimmung für die Krankenhausbewegung kommt dafür von der Gewerkschaft Ver.di. „Es ist wichtig, Missstände öffentlich anzusprechen“, sagt Ver.di-Sprecherin Kathrin Restorff.

Es ist nicht das erste Mal, dass Aussagen von Beschäftigten und vom Konzern sich zu einzelnen Missständen diametral gegenüberstehen. So auch bei der Frage, ob das Pflegepersonal mit sicherer Ausstattung ausgerüstet ist. Beschäftigte beklagten vorige Woche, dass ihnen wirksame und zertifizierte Atemschutzmasken fehlen würden.

Asklepios dementierte das umgehend. „Allen unseren Mitarbeitern steht geeignete Schutzausrüstung in ausreichender Zahl zur Verfügung“, hieß es seitens des Konzerns. Und die Sozialbehörde stärkte auch dort Asklepios den Rücken. „Rückmeldungen zu einem Mangel an Schutzkleidung liegen uns nicht vor“, erklärte die Behörde.

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