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Länger arbeiten, gleicher Lohn: In zehn katholischen Krankenhäusern im Westen Berlins wird das jetzt so im Tarifvertrag festgeschrieben. (Symbolbild)

© Kitty Kleist-Heinrich

Mehr Geld für Ärzte, mehr Arbeit für Pfleger: Neue Tarifregeln lösen Ärger in Berliner Krankenhäusern aus

Die Arbeitsbedingungen im Osten und Westen Berlins sollen in katholischen Kliniken angeglichen werden. Das hat unangenehme Folgen für viele Mitarbeiter.

Manch einer könnte diese Kommunikation für ungeschickt halten: Mitten in der Debatte um mehr Wertschätzung für die während der Coronakrise besonders belasteten Gesundheits- und Pflegeberufe informiert ein im Westteil Berlins gelegenes katholisches Krankenhaus seine Mitarbeiter über zwei neue Tarifregeln.

In einem internen Schreiben, dem Tagesspiegel vorliegt, erfahren die Mitarbeiter, dass die Ärztinnen und Ärzte ab Oktober 6,64 Prozent mehr Geld, einmalig zwei zusätzliche Urlaubstage in 2020 und eine Einmalzahlung von insgesamt 1400 Euro zum 1. Januar 2021 erhalten.

Und im selben Schreiben wird mitgeteilt, dass unter anderem die Pflegekräfte, weil sie in einer Klinik im West-Teil der Stadt arbeiten, ab sofort zwei Stunden im Monat länger arbeiten müssen – ohne Lohnausgleich, was nach Berechnungen von Arbeitnehmervertretern einer Lohnkürzung um 1,25 Prozent gleichkommt.

Bei vielen Pflegekräften kam das Schreiben gar nicht gut an. „Meine Kollegen und Kolleginnen und ich empfinden diese Mitteilung im ,Corona-Sommer’ nicht nur als Ohrfeige, sondern als K.o.-Schlag“, schrieb eine Pflegekraft, die nicht namentlich genannt werden möchte,. „Ganz viele haben einfach keine Lust mehr und überlegen, so schnell wie möglich diesen Beruf zu verlassen.“

Die Tarifänderungen betreffen in Berlin zehn Krankenhäuser. Davon liegen sechs im Westteil der Stadt, in denen rund 980 Krankenpflegekräfte in Vollzeitstellen tätig sind. Die tatsächliche Anzahl der jeweils Beschäftigten liegt durch Teilzeit-Arbeitsverhältnisse noch höher.

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Kritik von Pflegekräften hört auch Stephan Kliem, Arbeitnehmervertreter in der Regionalkommission Ost, in der für die Caritas und andere angeschlossene katholische Sozialunternehmen die Tarifverhandlungen geführt werden. Die Region Ost umfasst die (Erz-)Bistümer Hamburg, Berlin, Magdeburg, Görlitz, Dresden-Meißen und Erfurt.

Die Pfleger im Osten müssen nun weniger arbeiten

Als Arbeitnehmervertreter setze man sich für alle Beschäftigtengruppen ein, also unter anderem für die Ärztinnen und Ärzte und die Pflegekräfte, sagt Kliem. Bei ihm hätten sich mehrere Pflegekräfte vornehmlich aus Kliniken im Westen Berlins gemeldet und ihren Ärger ausgedrückt.

„Im Nachhinein ist klar, dass man die Tarifanpassungen anders hätte kommunizieren können, um das Erreichte deutlicher zu machen.“ Denn schließlich müssten im Rahmen der Arbeitszeitangleichung die Pflegekräfte im Osten statt 40 nun eine Stunde weniger pro Woche leisten.

Stephan Kliem steht zu den gefundenen Kompromissen. Man habe bei „schwierigen und langwierigen Verhandlungen“ mit der Arbeitgeberseite viel erreicht: eine ordentliche Erhöhung der Tarife für die Ärzte und gleiche Arbeitszeiten für die nichtärztlichen Beschäftigten in Ost und West.

„Seit 30 Jahren diskutieren wir darüber, die Arbeitszeiten anzugleichen“, sagt Kliem. „Wir haben die günstige Gelegenheit ergriffen, um das endlich zu durchzusetzen.“ Nun arbeiteten mit 39 Wochenstunden alle gleich lange, egal ob im West- oder im Ostteil Berlins.

Mehr Gehalt? Der Verband bremst Erwartungen

Zudem gelten für Ärzte und nichtärztliche Beschäftigte unterschiedliche Laufzeiten der Tarifverträge. Für die Ärzte beginnt gerade die Laufzeit mit der Erhöhung. Und die nichtärztlichen Beschäftigten hätten zum Anfang des Jahres mit 2,9 Prozent den zweiten von drei Erhöhungsschritten bekommen.

„Anfang 2021 folgt mit gut einem Prozent die dritte Erhöhung. Außerdem kommen dann weitere 2,1 Prozent verhandelter Aufschlag hinzu.“ Aber natürlich kämpfe man auch weiter dafür, dass die Pflegekräfte endlich auch finanziell die Wertschätzung erhielten, die sie verdient haben. „Da ist noch viel Spielraum nach oben“, sagt Kliem.

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Diesen Spielraum auszuloten, dürfte jedoch weitere schwierige Verhandlungen mit sich bringen. Der Caritasverband für das Erzbistum Berlin bremst schon mal eventuelle Erwartungen. „Wir sind sehr darum bemüht, für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Arbeitsbedingungen zu bieten und faire tarifliche Bezahlung zu leisten“, teilt Thomas Gleißner, Pressesprecher des Berliner Caritasverbandes, auf Anfrage mit.

„Wir müssen allerdings auch immer die Finanzierung der Krankenhäuser und der Arbeitsplätze sicherstellen.“

Die existierenden Refinanzierungsbedingungen der Kliniken erlaubten es nicht, über die mit der Arbeitnehmerseite erzielten Verhandlungsergebnisse hinaus zu gehen. Der Caritasverband spielt den Ball an die Politik weiter: „Wir setzen uns gesundheitspolitisch dafür ein, bessere Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser zu erreichen.“

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