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Dezember 2020 Mandanteninformation als PDF downloaden

Vorgezogene Bescherung für die Beatmungsabrechnung - BSG relativiert die "Gewöhnung"

Das BSG hat sich in einem gestern verkündeten Urteil (Urteil vom 17. Dezember 2020, Az. B 1 KR 13/20 R) nochmals zu dem seit Jahren bestehenden Streit geäußert, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen einer Entwöhnung Spontanatmungsstunden bei der Berechnung der Gesamtbeatmungsstunden berücksichtigt werden dürfen. Den Terminbericht finden Sie unter Nr. 6 unter dem folgenden Link:

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Terminberichte/2020_49_Terminbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Aus dem aktuell vorliegenden Terminbericht ergeben sich vorläufig folgende positive Erkenntnisse:

Anforderungen an die „Gewöhnung" relativiert

Das BSG hat zwar an der im Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. B 1 KR 18/17 R geforderten „Gewöhnung" festgehalten, den ausufernden Auslegungen der Krankenkassen und einiger Gerichte zu diesem Begriff jedoch eine klare Absage erteilt. Eine Gewöhnung liegt kurz zusammengefasst vor, wenn Patienten sich nach dem Beginn einer Beatmung ohne weitere maschinelle Unterstützung nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen können.

Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die Eigenatmungsfähigkeit der Patienten eingeschränkt ist. Insbesondere kann sich die Einschränkung auch weiterhin aus der Erkrankung oder dem Zustand ergeben, welcher die Beatmung der Patienten erforderlich machte.

Für alle Behandlungsfälle, für welche die Deutschen Kodierrichtlinien in den Fassungen 2019 oder früher Anwendung finden, gelten nach dem Terminbericht folgende Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Spontanatmungsstunden (d. h. Zeiten, in welchen keine Beatmungsmethode eingesetzt wird) im Rahmen einer Entwöhnung:

  • Einsatz einer Methode der Entwöhnung: Die Entscheidung Patienten zu entwöhnen muss bewusst getroffen und sollte auch dokumentiert werden. Der Einsatz einer Methode der Entwöhnung kann sich aber auch aus der Zusammenschau des dokumentierten Behandlungsgeschehens ergeben.
  • Gewöhnung: Eine erhebliche Einschränkung oder der Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können. Hier kann u. E. auf die in der Deutschen Kodierrichtlinie 1001 festgelegte Definition des Vorliegens einer stabilen respiratorischen Situation zurückgegriffen werden. Sind die dort definierten Voraussetzungen gegeben, d. h. die Patienten benötigen beim Versuch der Spontanatmung innerhalb von 24/36 Std. erneut maschinelle Atemunterstützung, dürfte eine Gewöhnung vorliegen. Ergänzende medizinische Sachverhalte können ebenfalls berücksichtigt werden.

Ausdrücklich keine Voraussetzung für eine Gewöhnung ist nach dem Terminbericht, dass die fehlende/eingeschränkte Eigenatmung auf eine Schwächung des Atemapparats durch die (längere) Beatmung zurückgeht. Zudem ist es nicht von Belang, aus welchem Grund die Einschränkung der Eigenatmungsfähigkeit der Patienten (weiter) besteht. Diese kann sich auch aus der zur Beatmung führenden Erkrankung/Zustand ergeben. Hierzu stellt das BSG klar, dass sich die fehlende Spontanatmungsfähigkeit aus verschiedenen Faktoren und deren Zusammenspiel ergeben kann.

Mit diesem Urteil wird es Krankenhäusern deutlich erleichtert, berechtigt abgerechnete Beatmungsstunden gegenüber den Krankenkassen durchzusetzen. Auf die Dauer einer Beatmungsphase zu Beginn der Beatmung dürfte es nun nicht mehr ankommen.

Entwöhnung setzt keinen Erfolg voraus

In demselben Urteil stellt das BSG klar, dass die Berücksichtigung von Spontanatmungsstunden nicht von einem Entwöhnungserfolg abhängt. Wird eine Entwöhnungsbehandlung ohne Erfolg oder nur teilweise erfolgreich beendet, schließt dies die Berücksichtigung der Spontanatmungszeiten nicht aus.

Offene Forderungen aus dem Jahr 2016

Bestehen bei Ihnen noch offene Forderungen zu dieser Thematik aus dem Jahr 2016?

Diese können ggf. nur noch bis zum Ende des Jahres 2020 verjährungshemmend gerichtlich geltend gemacht werden.
Von der Verjährung betroffen sind insbesondere Forderungen für Behandlungsfälle mit Aufnahme im Jahr

  • 2016, welche von den Krankenkassen nicht oder nicht vollständig bezahlt wurden.

  • 2015 oder früher, bei welchen die Krankenkasse im Jahr 2016 einen angeblichen Rückforderungsanspruch aufgerechnet (verrechnet) hat.

Die vorstehende Darstellung der von der Verjährung betroffenen Forderungen ist vereinfacht, dürfte aber den Großteil der betroffenen Forderungen erfassen. Für eine genaue Verjährungsprüfung muss der Einzelfall geprüft werden.

Sie können auch Abrechnungen, welche im Hinblick auf das Urteil des BSG aus dem Jahr 2017 storniert, geändert oder korrigiert wurden, noch geltend machen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Änderung/Stornierung/Korrektur aufgrund eines Vergleichs oder einer sonstigen Vereinbarung mit der Krankenkasse erfolgte.

Für Fragen zu dieser Thematik und zu Ihrer ggf. notwendigen Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche stehen wir Ihnen jederzeit – auch zwischen den Feiertagen – gern zur Verfügung.