Einwendungsausschluss ohne Prüfverfahren?

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Das BSG hat in einer aktuellen Entscheidung vom 22.06.2022 (- B 1 KR 19/21 R -) sich erneut mit der Reichweite des Einwendungsausschlusses nach § 275 Abs. 1c SGB V aF beschäftigt und noch einmal klargestellt, dass die Fristversäumung für die Einleitung der Prüfung keinen vollständigen Einwendungsausschluss enthält, sondern lediglich eine Beschränkung der Prüfungsbefugnis auf die bereits vorhandenen Daten (so bereits BSG, Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R –). Die Entscheidung liegt derzeit nur als Terminsbericht vor.

Der Sachverhalt betraf eine Adipositas-Operation, wobei der Antrag des Versicherten auf Kostenübernahme nach entsprechender Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) durch die Krankenkasse zurückgewiesen worden war, die Operation dennoch durchgeführt wurde. Die Krankenkasse hatte die Bezahlung der Operation aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen des MD verweigert, selbst aber kein Prüfungsverfahren mehr durchgeführt.

Das BSG hat dazu erfreulicherweise festgestellt, dass die Ablehnung der Kostenübernahme gegenüber dem Versicherten dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht prinzipiell entgegensteht, weil das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus von der Leistungsablehnung gegenüber dem Versicherten nicht berührt wird.

In der Sache hat das BSG weiter für die Versicherten positiv klargestellt, dass die „Ultima-ratio“-Rechtsprechung zur Adipositas-Chirurgie (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 2/08 R –) nicht bedeutet, dass zwangsmäßig alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft sein müssen. Vielmehr sei lediglich erforderlich, dass die voraussichtlichen Ergebnisse des Eingriffs den voraussichtlichen Ergebnissen anderer Behandlungsmethoden eindeutig überlegen sein müssen. Im Ergebnis ist damit klargestellt, dass die Leistung nicht verweigert werden kann, wenn zwar prinzipiell noch Behandlungsalternativen beständen, diese aber keine realistischen oder weniger Erfolgsaussichten bieten.

Bzgl. der Fristversäumung weist das BSG aber darauf hin, dass allein die Fristversäumung nicht zu einem vollständigen Leistungsausschluss führt, sondern lediglich eine beschränkte Ermittlungspflicht des Gerichts begründet, an welcher das Krankenhaus nicht mitwirken muss. Das Krankenhaus muss keine Behandlungsunterlagen vorlegen. Verwertbar  sind nur die bereits vorliegenden Daten sowie die vom Krankenhaus freiwillig zur Verfügung gestellten Daten. Ferner ist die Fristversäumung bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und kann nach dem BSG zu Beweislasterleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast führen, weil das Krankenhaus nicht unter dem Druck der Beweislast für die medizinische Notwendigkeit zur Herausgabe von Unterlagen gezwungen werden darf, die eigentlich einem Verwertungsverbot unterliegen. Die Prüfung kann daher nur anhand der Daten erfolgen, welche der Krankenkasse bereits bei Prüfung des Leistungsantrags des Versicherten vorlagen.

Die Entscheidung hinterlässt aus Sicht der Krankenhäuser einen ambivalenten Eindruck. Positiv sind sicherlich die Feststellungen zur Trennung der Prüfung des Kostenantrags des Versicherten von der Prüfung des Anspruchs des Krankenhauses auf Vergütung sowie die Feststellungen zur „Ultima-ratio“-Rechtsprechung im Bereich der Adipositas-Chirurgie. Die Frage der Reichweite der Fristversäumung lediglich auf ein begrenztes Verwertungsverbot und die Möglichkeiten von Beweiserleichterungen zu beschränken, führt immer wieder zu der Frage, ob ein umfassender Einwendungsausschluss den gegenseitigen Interessen und der Intention des Gesetzgebers nicht deutlich besser gerecht wird. Auch im Rahmen der PrüfvV (vgl. dazu auch die weiteren Entscheidungen des BSG vom 22.06.2022 – B 1 KR 17/21 – und – B 1 KR 27/21 R -) stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, welche Unterlagen denn nun verwertet werden dürfen und welche nicht. Das BSG bleibt seiner eingeschlagenen Linie mit der Entscheidung zwar treu, ob diese aber für die Praxis zielführend ist, ist eine andere Frage.

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