Gewünschter Stellvertreter: Wunschdenken oder akzeptierte rechtliche Figur?

Grundsätzlich kann nur der Wahlarzt (in der Regel ist dies der Chefarzt) wahlärztliche Leistungen erbringen, ausnahmsweise auch dessen in der Vereinbarung aufgeführter ständiger ärztlicher Vertreter, wenn der Chefarzt unvorhergesehen verhindert ist. In diesem Zusammenhang ist nach wie vor umstritten, ob auch die vom Patienten gewünschte Vertretung (sog. gewillkürte Vertretung) des Wahlarztes rechtlich zulässig ist. Denn Grund für diese Art der Stellvertretung ist nicht die Verhinderung des Wahlarztes. Vielmehr beruht sie auf dem Wunsch des Patienten, von einem anderen Arzt behandelt zu werden.

Schaut man sich bereits vorliegende Urteile zu dieser Thematik an, so ist festzuhalten, dass einige Gerichte die rechtliche Zulässigkeit einer gewillkürten Vertretung des Wahlarztes verneinen, und zwar unter Hinweis auf die sog. Honorararzt-Entscheidung des BGH vom 16.10.2014 (Az. III ZR 85/14). Dazu heißt es, dass es sich bei § 17 Abs. 3 KHEntgG um eine zwingende Vorschrift handele, die den Kreis der Wahlärzte abschließend festlege und von der zum Schutz des Patienten nicht abgewichen werden dürfe. Anders beurteilt dies das LG Regensburg in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 22.02.2022, Az. 23 S 63/21).

Der Fall

Die Klägerin war privater Krankenversicherer eines Patienten, der von einem Arzt in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus behandelt wurde. Der Patient schloss hierbei mit der Beklagten eine Behandlungs- und Honorarvereinbarung für stationäre, ärztliche Leistungen. In dieser Vereinbarung war unter der Überschrift "Patientenerklärung bei gewünschter Stellvertretung" festgehalten, dass der Patient ausdrücklich die wahlärztliche Behandlung durch eine bestimmte Oberärztin und nicht durch den Chefarzt wünsche. Diese wahlärztlichen Leistungen wurden von der Beklagten in Rechnung gestellt und von dem Patienten bezahlt. Der Versicherer verlangte diesen Betrag später mit der Begründung zurück, dass die Wahlleistungsvereinbarung unwirksam sei, da sie gegen § 17 Abs. 3 KHEntgG verstoße. Das AG Regensburg folgte dieser Argumentation, gab der Klage des Versicherers statt und verpflichtete das Krankenhaus zur Rückzahlung.

In der Berufungsinstanz vor dem LG Regensburg trug das Krankenhaus u.a. vor, die Oberärztin sei eine besonders qualifizierte Oberärztin, die seit dem Jahr 2006 jährlich fast 200 derartige Eingriffe im Haus der Beklagten durchführe. Sie unterstütze die Arbeiten des Kurrikulums der Fortbildungen für Herzschrittmachertherapie und Defibrillatortherapie, sei Dozentin für Themen auf dem Gebiet und habe die Elektrophysiologieeinheit am Haus der Beklagten bereits kommissarisch geleitet. Zudem habe die Ärztin auf dem besagtem Gebiet entsprechend publiziert.

Die Entscheidung:

Die Berufung hatte Erfolg. Die Wahlleistungsvereinbarung sei nicht zu beanstanden, so das Gericht. Die Oberärztin verfüge im Einzelfall über besondere Erfahrungen und Kenntnisse auf dem betreffenden medizinischen Fachgebiet und sei in der Wahlleistungsvereinbarung als gewünschte Stellvertreterin des Chefarztes benannt. Daher sei die Wahlleistung wirksam vereinbart worden. Der BGH habe im Jahr 2014 die Möglichkeit der Stellvertretung des Chefarztes erlaubt und dies mit der Vertragsfreiheit begründet. Die in § 17 Abs. 3 KHEntgG genannte Verhinderung des Wahlarztes stehe der Stellvertretung nicht entgegen. Es würde auch dem Sinn und Zweck der Wahlleistungsvereinbarung widersprechen, wenn ein Patient sich nicht von seinem Wunscharzt behandeln lassen könnte. § 17 Abs. 3 KHEntgG sage auch nichts über die Zulässigkeit von Stellvertreterregelungen aus.

Fazit

Der Patient schließt einen Wahlarztvertrag im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes ("Chefarztbehandlung"), die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Bezahlung einer gesonderten Vergütung sichern will. Dem Patienten geht es also darum, sich über den Facharztstandard hinaus die Leistungen hochqualifizierter Spezialisten "hinzuzukaufen" (BGH, Urteil vom 16.10.2014, a.a.O.) Wie sich diese besondere Kompetenz eines "hochqualifizierten Spezialisten" messen lässt, ist indessen schwierig und wenig greifbar. So dürfte es auch weniger kompetente Chefärzte und auf ihrem Gebiet herausragende Oberärzte geben. Letztlich handelt es sich um berufliche Hierarchiestufen, die mit besonderen Kompetenzen ausgestattet sind. Hieran festzumachen, ob eine gesonderte Zahlung gerechtfertigt bzw. zulässig sei, erscheint schwierig, zumal eine solche Frage nicht zuletzt auch an der Vertragsfreiheit auszumachen ist.

Da der BGH diese Rechtsfrage bislang nicht abschließend geklärt (allerdings die Konstruktion auch nicht abgelehnt, aber zumindest erwähnt) hat, sollte die weitere Rechtsprechungsentwicklung im Auge behalten werden. Gegenwärtig dürfte das vorliegende Urteil bei entsprechenden Auseinandersetzungen mit privaten Krankenversicherern in jedem Fall von Nutzen sein.

 

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