Sie wollen, dass Inhalte die Wahl entscheiden? Bitte schön. In der Serie "Welches Deutschland soll’s denn sein?" stellen wir die Antworten der Parteien auf die großen Fragen vor. Grundlage sind die Wahlprogramme. Teil neun: Gesundheitspolitik

Die Pandemie hat die Gesundheitspolitik der Parteien wahrscheinlich ziemlich durcheinandergebracht, oder?

Eigentlich hat Corona die Positionen der Parteien eher gefestigt. Fast alle klagen sie über die Schwächen, die die Krise aufgedeckt habe, die AfD spricht beispielsweise von "Fehlentwicklungen" im Gesundheitssystem. Die Grünen fordern, sich für künftige Pandemien besser zu wappnen, und die SPD betont, dass Gewinnmaximierung und Kostenminimierung nicht das Maß aller Dinge sein dürfen. Die Linke sieht ein Versagen der Bundesregierung, Deutschland aus der Krise herauszuführen: bei der Impfstoffbeschaffung, bei der Versorgung mit Tests, bei den Wirtschaftshilfen. Jahrzehntelang sei kaputtgespart worden, was nun so dringend gebraucht werde. Und die FDP schimpft: "Während andere Staaten ihr Gesundheitssystem digitalisiert haben, haben sich unsere Gesundheitsämter gegenseitig Faxe geschickt."

Daran merkt man schon: Die Pandemie war neu, die Antworten der Parteien darauf sind es nicht unbedingt. Sie haben nun aber eine höhere Dringlichkeit.

Die Pandemie habe gezeigt, schreibt die CDU, wie stark unser Gesundheitssystem sei und wie wichtig die Menschen seien, die es am Laufen hielten. "Wir haben aber auch gesehen, dass wir mehr tun müssen", schreibt sie, "damit unser Gesundheitswesen auch nach der Krise weiter zu den besten der Welt zählt."

Dann nehmen wir sie doch mal beim Wort: Was wollen die Parteien beispielsweise tun für die Pfleger und Ärztinnen, außer zu klatschen?

Alle Parteien wollen dafür sorgen, dass die Gehälter in Gesundheitsberufen steigen – bis auf die Union, die sich darauf beruft, dass sie die Bezahlung von Pflegekräften bereits verbessert habe. Gemeint ist damit die Pflegereform mit Tarifbindung, die der Bundestag im Juni beschlossen hat. Bisher werden weniger als 50 Prozent der Pflegekräfte nach Tarif bezahlt, nach der Reform sollen es ab September 2022 alle sein. Nach Berechnungen des Arbeitsministeriums wird sich ihr Monatslohn dadurch um bis zu 300 Euro erhöhen. Die Opposition kritisierte damals, die Reform ließe viel zu viele Schlupflöcher für Arbeitgeber. 

Die Linke setzt sich jetzt beispielsweise für 500 Euro mehr Grundgehalt für Pflegekräfte ein. Und die Grünen schreiben in ihrem Programm: "Es braucht nicht nur mehr Lohn, Arbeitsschutz und Anerkennung – sondern vor allem mehr Kolleg*innen und mehr Zeit." 

Und wo soll die Zeit herkommen?

Durch mehr Personal. Die AfD schlägt eine Personaluntergrenze vor. Dem widersprechen die Freien Demokraten, Pflege müsse sich am Bedarf der Menschen orientieren, nicht an starren Regeln. Sie wünschen sich die "Pflegepersonal-Regelung 2.0" und einen ausgewogenen Qualifikationsmix – was das konkret bedeutet, erläutern sie nicht. Konkrete Versprechungen macht die Linke. Und zwar: 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in Krankenhäusern und noch mal 100.000 neue Angestellte in Pflegeheimen. Das wären (gerechnet mit den Zahlen von 2019) pro Krankenhaus 52 neue Pflegekräfte und sechs neue in jedem der 15.380 Pflegeheime.

Aber die Linke kann sich auch keine Pflegerinnen und Pfleger backen. Die Leute verlassen den Beruf doch gerade eher. Wo sollen die vielen Neuen also herkommen?

Die Linke hofft darauf, dass mehr Geld reicht und das Versprechen, mehr Kolleginnen und Kollegen zu haben und damit mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten. Und Union und SPD haben beschlossen, dass die Azubis in Gesundheitsberufen demnächst dann wirklich kein Schulgeld mehr zahlen müssen.

Moment, die müssen für ihre Ausbildung auch noch zahlen?

Ja, für den Berufsschulteil zumindest, in manchen Bundesländern sogar dreistellige Summen pro Monat. Da die Zuständigkeit für das Schulgeld bei den Ländern liegt, haben es einige in den vergangenen Jahren schon eigenständig abgeschafft, unter anderem NRW und Bayern. Andere haben Teillösungen geschaffen, viele Bundesländer warten aber noch auf einen bundeseinheitlichen Beschluss. Denn die Abschaffung der Schulgelder stand schon im Koalitionsvertrag 2018. 

Wir haben in der Pandemie gemerkt, wie wichtig es ist, viele und gute Krankenhäuser zu haben. Viele von denen sind ja mittlerweile privatisiert. Wie finden die Parteien das?

In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Anteil der Krankenhäuser in der Hand von Unternehmen mehr als verdoppelt, während der Anteil der öffentlichen Krankenhäuser stark gesunken ist. Die Linke kritisiert das scharf und findet, dass man mit der Gesundheit von Menschen kein Geld verdienen darf. Alle Krankenhäuser und Pflegekonzerne, die nicht gemeinnützig arbeiten, sollen Gemeineigentum werden. Auch die SPD und die Grünen fordern eine Abkehr vom Privatisierungstrend. Die AfD setzt auf eine Begrenzung: Maximal bei 60 Prozent solle der Anteil privater Träger im Krankenhausbereich liegen. Da wäre dann noch Raum für Unternehmer, denn laut den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Statistik lag der Anteil 2018 noch bei 37 Prozent.