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Begründung AOP-Eingriff

SG Detmold, Urteil vom 31.05.2021 - S 31 KR 137/20

Sachverhalt:

Die Patientin wurde im Jahr 2017 notfallmäßig im Haus vorstellig und stationär aufgenommen. Als Hauptdiagnose kodierte das Krankenhaus die Diagnose T82.7 („Infektion und entzündliche Reaktion durch sonstige Geräte, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen“). Als durchgeführten Eingriff wurde der OPS 5-399.7 kodiert. Dieser Eingriff ist im AOP-Katalog in der Kategorie 1, regelhaft ambulante abrechenbare Leistung, aufgeführt. Die später klagende Krankenkasse glich zunächst die Rechnung über den streitigen Fall vollständig aus. Eine Prüfanzeige wurde dem beklagten Krankenhaus weder vom MDK noch von der Krankenkasse zugestellt. Erst nach ca. 2 Jahre erhielt das Krankenhaus eine MDK-Prüfanzeige. Aufgrund der abgelaufenen Frist nach § 275 SGB V weigerte sich das Krankenhaus eine MDK-Begutachtung durchzuführen. Aufgrund der Verweigerung des Krankenhauses die Rechnung zu korrigieren, erhob die Krankenkasse Klage auf Rückzahlung des gesamten Vergütungsanspruchs. Die Krankenkasse trug vor, dass das Krankenhaus es unterlassen hatte, die stationäre Aufnahme zu begründen. Mangels einer ordnungsgemäßen Information der Krankenkasse sei keine Fälligkeit eingetreten und die Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V habe nicht zu laufen begonnen, sodass eine Abrechnungsprüfung auch im Jahr 2019 noch möglich gewesen wäre. Aufgrund der Weigerung des Krankenhauses, eine Abrechnungsprüfung durchzuführen, greife die Ausschlussfrist und die Krankenkasse habe einen Erstattungsanspruch. Hilfsweise beantragte sie Akteneinsicht zwecks Prüfung der Abrechnung durch den MDK. Das Krankenhaus verwies auf die 301er-Daten. Aus diesen Daten sei bereits ersichtlich gewesen, warum eine stationäre Durchführung des im AOP-Katalog gelisteten Eingriffs im Krankenhaus der Beklagten erforderlich war. Aus diesem Grund war die Rechnung fällig und die Ausschlussfrist begann zu laufen. Sofern die Krankenkasse weitergehende Fragen zur stationären Behandlungsbedürftigkeit gehabt hätte, hätte diese eine MDK-Prüfung innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V einleiten müssen, indem die medizinischen Umstände des Einzelfalls hätten geprüft werden können.

Entscheidung:

Das Gericht wies die Klage der Krankenkasse zurück. Die Rechnung sei bereits aufgrund der übermittelten 301er-Daten fällig geworden. Eine Begründung für die stationäre Durchführung des Eingriffs, der im AOP-Katalog als regelhaft ambulant gelistet ist, hat das Krankenhaus durch die übermittelten 301er-Daten gegeben. Insbesondere das Alter der Patientin, die notfallmäßige Vorstellung und die Aufnahmediagnose sowie der dann durchgeführte Eingriff hätten die stationäre Behandlung und Durchführung des Eingriffs begründet. Eine bestimmte Form – etwa außerhalb der 301-er Daten – für die Übermittlung der Begründung sei weder nach dem Gesetz noch nach der Rechtsprechung vorgesehen. Das BSG selbst gehe davon aus, dass bei einer Mehrzahl der Behandlungsfälle die Informationen für die stationäre Behandlung aus den 301er Daten ersichtlich wird. Eine weitergehende medizinische Begründung für die Fälligkeit sei daher nicht notwendig. Dies folge bereits aus dem Sinn und Zweck der Abrechnungsregelungen des § 301 SGB V sowie § 275 Abs. 1c SGB V. Die Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V begann daher bereits mit Rechnungszugang zu laufen. Aufgrund des Ablaufs der gesetzlichen Frist und dem Umstand, dass die Krankenkasse keine MDK-Prüfung einleitete, bestehe für die Behandlungsdokumentation im gerichtlichen Verfahren ein partielles Beweisverwertungsverbot, sodass diese Unterlagen präkludiert sind. Das Krankenhaus durfte die Abrechnungsprüfung verweigern. Die fehlende Übermittlung der Behandlungsdokumentation gehe nicht zu ihren Lasten. Für das Gericht bestand daher keine weitergehende Pflicht zur Überprüfung der Abrechnung im gerichtlichen Verfahren.

Anmerkung:

Das SG Detmold arbeitet sauber die Anforderungen der BSG-Rechtsprechung zur Fälligkeit der Abrechnung und der Notwendigkeit eines Krankenhauses die stationäre Behandlungsnotwendigkeit, insbesondere bei AOP-Eingriffen, zu begründen heraus. Das Gericht räumt so mit dem Irrglauben der Krankenkassen auf, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit sei stets mittels einer separaten Mitteilung, etwa mittels eines Kurzberichts, neben den 301-er Daten zu begründen. Erfreulicherweise weist das SG Detmold in aller Deutlichkeit daraufhin, dass an die Informationsobliegenheiten eines Krankenhauses keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen. Insbesondere in Hinblick auf die gesetzliche Ausgestaltung der Abrechnungsprüfung sei dies nicht zu fordern. Eine weitergehende, umfassende medizinische Überprüfung der Abrechnung obliegt allein dem MDK. Auch in Hinblick auf den Datenschutz, insbesondere bezüglich sensibler Gesundheitsdaten, ist dieses Urteil zu begrüßen. Es verdeutlicht, dass die Krankenkassen neben der Datenübermittlung nach § 301 SGB V nicht weitergehende und somit umfassendere Angaben zu dem Gesundheitszustand der Patienten fordern dürfen. Eine solche umfassende Begründungspflicht besteht nach den überzeugenden Ausführungen des SG Detmold weder nach der Rechtsprechung des BSG noch nach den gesetzlichen Vorgaben. Krankenhäuser sollten daher die Durchführung verfristeter Abrechnungsprüfungen verweigern, sofern aus ihrer Sicht die übermittelten Daten die Krankenkasse ausreichend über die stationäre Behandlungsbedürftigkeit informieren.

Gegen das Urteil des SG Detmold hat die klagende Krankenkasse Berufung eingelegt, welches zurzeit bei dem LSG NRW anhängig ist.

sg det s 31 kr 137 20 210531 anforderungen informationsoblie (PDF, 1.15 MB)