Krankenhausfinanzierung

Morell: "Gefährlichen Abwärtsstrudel verhindern"

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Morell: "Gefährlichen Abwärtsstrudel verhindern"
© kkvd/Jens Jeske

Empfindliche Defizite, wirtschaftliche Schieflage, konkrete Insolvenzgefahren – der Kliniksektor fühlt sich von der Bundesregierung alleingelassen. Laut der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) fehlt es an einer ausreichenden Kompensation für die inflationsbedingt Kostensteigerungen und die von der Regierung verabredete Tarifsteigerung von rund zehn Prozent ließen weiter auf sich warten. Inzwischen müssen die Krankenhäuser für das kommende Jahr hohe Verluste – teils im zweistelligen Millionenbereich – einplanen.

KGNW-Präsident Ingo Morell appeliert an die Politik: "Der Bundesgesundheitsminister hat es in der Hand, einen gefährlichen Abwärtsstrudel für die Daseinsvorsorge zu verhindern. Er bestreitet auch die wirtschaftliche Notlage überhaupt nicht. Dass er sich bisher weigert gegenzusteuern, ist rational nicht nachzuvollziehen." Die Entwicklung treffe häufig auch die Häuser, die bisher noch positive Ergebnisse vermelden konnten.

Das Klinikum Lippe mit rund 1.200 Betten erwartet nach einem positiven Ergebnis von fast 2,3 Millionen Euro im vergangenen Jahr für 2023 nun ein Minus von 7,6 Millionen Euro. Im nächsten Jahr wird dieses ohne Handeln der Bundesregierung auf 15 Millionen Euro hochschnellen, warnt Morell. Das St. Marien-Krankenhaus in Siegen mit rund 380 Betten musste bereits das Jahr 2022 mit fast 1,6 Millionen Euro Verlust abschließen und erwartet im laufenden Jahr ein Defizit von 1,8 Millionen Euro. Aber unter den absehbaren Bedingungen für 2024 wird der Verlust auf 6,7 Millionen Euro klettern – getrieben von steigenden Personalkosten von rund 4,4 Millionen Euro (plus 8 Prozent) sowie fast 4 Millionen Euro höherer Sachkosten (5 Prozent).

Mit einer Kundgebung vor dem Düsseldorfer Landtag wollen die Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Kliniken am 20. September 2023 auf die Notlage der Krankenhäuser aufmerksam machen. „Wir fordern von der Bundesregierung eine nachhaltige Absicherung der Krankenhäuser, indem sie einen ausreichenden Inflationsausgleich schafft und die vollständige Finanzierung der vereinbarten Tarifsteigerungen im Jahr 2024 gesetzlich möglich macht. Wir brauchen beides, wenn wir die Abwärtsspirale für die Krankenhäuser stoppen wollen“, verdeutlicht Morell.

Unterstützt wird der Protest in Nordrhein-Westfalen (NRW) von der „NRW-Allianz für die Krankenhäuser“ aus in NRW arbeitenden Verbänden und Organisationen (drei kommunale Spitzenverbände Landkreistag, Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund, die Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Pflegekammer NRW, die Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund, die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe sowie die Caritas in NRW, der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte, der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands und der Verband der Privatkliniken NRW. Hintergrund ist ein bundesweiter Protesttag der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Am 20. September wird in vielen Landeshauptstädten zu ähnlichen Aktionen aufgerufen. 

Laut KGNW unterstreichen die nackten Zahlen, dass die Regierung sich weiterhin weigere, entsprechend ihrer gesetzlichen Pflicht die Betriebskosten der Krankenhäuser abzusichern und zu verhindern, dass sie in wirtschaftliche Turbulenzen schliddern. Zwar seien die Folgen „für die wohnortnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten sind nicht absehbar. Aber jeder unkontrollierte Niedergang eines Krankenhauses wird unweigerlich nicht mehr zu schließende Lücken reißen“, mahnt Morell. Denn die Krankenhäuser können ihre Preise nicht – wie andere Wirtschaftsunternehmen – einfach selbst erhöhen.

Daher appelliert die NRW-Allianz an die Regierung, eine dauerhafte Kompensation der Inflationskosten zu gewährleisten. Möglich wäre dies über eine mindestens 4-prozentige Anhebung des Landesbasisfallwertes ab 2024. Zudem müsse der Bund die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, dass die Preisanpassung für das kommende Jahr nicht wie bisher gedeckelt bleibe, sondern dass die Krankenkassen die vollen Tariferhöhungen finanzieren können.

Kommunen fürchten neue Millionenlöcher

Die schlechte wirtschaftliche Perspektive treibt auch Jürgen Müller um, Landrat des Kreises Herford und auch Verantwortlicher für die vom Kreis getragenen Kreiskliniken Herford-Bünde, der berichtet: „Die weiter steigenden Inflationskosten und die absehbar große Deckungslücke bei der Tarifsteigerung im kommenden Jahr werden die Kliniken erneut erheblich belasten. Der Kreis Herford – und das gilt für viele NRW-Kommunen – kann nicht immer wieder neue Millionenlöcher stopfen.“ Wenn Kommunen im schlimmsten Fall insolvente Krankenhäuser zwangsweise übernehmen müssten, seien sie in der aktuellen Lage hoffnungslos überfordert.

Autor

 Anika Pfeiffer

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