L 4 KR 136/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 571/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 136/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Dem Dokumentationserfordernis im Rahmen der Kodierung der OPS 8-987.- genügt eine Dokumentation nach drei Modulen, darunter eines Basisblocks mit einem Zeitumfang von 100 Minuten.
2. Eine minutengenaue Einzeldokumentation der im Basisblock enthaltenen standardisierten Maßnahmen, bei denen es sich um zentrale Maßnahmen zur Vermeidung der Übertragung von MRE handelt, ist im Klinikalltag nicht praktikabel und nicht zu fordern.
3. Die Dokumentation im Rahmen der OPS 8-987.- hat den Zweck, den entstandenen zeitlichen Mehraufwand zu belegen. Sie dient nicht der Sicherstellung der Einhaltung der Maßgaben der Hygiene im Krankenhaus.
4. Die Krankenhäuser unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 3.805,39 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten und Berufungsklägerin versicherten W. B. für den Zeitraum vom 23.02.2016 bis 04.03.2016 im von dem Kläger und Berufungsbeklagten betriebenen Krankenhaus.

Der 1921 geborene Patient wurde notfallmäßig stationär aufgenommen wegen zunehmender Verwirrtheit und eines Erysipels am Unterschenkel. Es wurde eine Sepsis durch Streptokokken der Gruppe B diagnostiziert. Nach Nachweis einer MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus)-Besiedlung im Nasenabstrich erfolgte eine Isolierung mit Behandlung durch speziell eingewiesenes Pflegepersonal unter Aufsicht eines Krankenhaushygienikers.

Der Kläger rechnete die Krankenhausbehandlung mit Rechnung vom 21.03.2016 und nach Storno wegen einer Rechnungskorrektur mit Rechnung vom 19.05.2016 in Höhe von 7.473,83 Euro gegenüber der Beklagten ab. Dabei setzte er die DRG T77.Z (Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern bei infektiösen und parasitären Krankheiten) an. Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vollständig aus.

In der Folge beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Einzelfallbegutachtung insbesondere zu den Fragen, ob die Hauptdiagnose und die Prozeduren korrekt seien. In seinem Gutachten vom 06.07.2016 stellte der MDK u.a. fest: "Ein durchschnittlicher Mehraufwand ) Stunden/Tag kann aufgrund täglicher, pauschaler Angabe eines 100-minütigen Basiszeitblocks nicht nachvollzogen werden." Die Kriterien zur Kodierung des OPS-Kodes 8.987.11 (Komplexbehandlung bei Besiedlung oder Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE) nicht auf spezieller Isoliereinheit, mindestens 7 bis höchstens 13 Behandlungstage) seien laut vorliegender Dokumentation nicht erfüllt. Daher sei nur die DRG T60E (Sepsis ohne komplizierende Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC, Alter ) 9 Jahre, mehr als ein Belegungstag) anzuwenden.

Der Kläger widersprach den Ausführungen des MDK unter Hinweis auf die gemeinsame Empfehlung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverbände der GKV zur Dokumentation des streitgegenständlichen OPS-Kodes. Mit Schreiben vom 07.07.2016 teilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf das Gutachten des MDK mit, dass ein Erstattungsanspruch in Höhe von 3.805,39 Euro geltend gemacht und mit einem unstrittigen Leistungsanspruch aufgerechnet werde.

Der Kläger hat am 16.08.2017 Klage beim Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben. Die von der Beklagten angekündigte Aufrechnung sei am 12.07.2016 erfolgt. Der Kläger habe einen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung. Er habe den OPS-Kode 8-987.11 entsprechend der Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV dokumentiert. Dies sei ausreichend. Laut OPS-Kode 8-987 bedürfe es zu seiner Abrechenbarkeit insbesondere eines dokumentierten durchschnittlichen Mehraufwandes von mindestens zwei Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung. Eine pauschale Ansetzung von 100 Minuten im Basisblock sei korrekt. Eine Dokumentation von Häufigkeiten und Dauer einzelner Elemente sei obsolet. Dies sei bereits durch ein Urteil des SG Potsdam vom 27.04.2016 (S 35 KR 329/14) bestätigt worden.

Die Beklagte hat ausgeführt, der zu dokumentierende durchschnittliche Mehraufwand von mindestens zwei Stunden täglich während der Behandlung und Isolierung könne anhand der pauschalen Dokumentation eines 100-minütigen Basiszeitblocks mittels Handzeichen und ohne weitere Angaben nicht nachvollzogen werden. Die angeführte Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV sei - so stehe es ausdrücklich geschrieben - lediglich eine unverbindliche Empfehlung.

Der Kläger hat die im Zeitraum des stationären Aufenthalts des Versicherten täglich angefertigten Dokumentationsbögen für die Komplexbehandlung bei Besiedlung oder Infektion mit multiresistenten Erregern vorgelegt. Darin ist die Dokumentation eines zeitlichen Mehraufwandes in drei Modulen, einem Modul "Basisblock", einem Modul "Patienten-abhängiger Block" (Wechsel von Bettwäsche und Bekleidung, antiseptische Ganzkörperwäsche, lokale antiseptische Behandlung Nasen-/ Rachenraum, Antibiotikagabe und Abstriche (1-3/Sitzung)) und einem Modul "zusätzliche Leistungen" (Patienten- und Angehörigengespräche zu MRE, Mehraufwand diagnostische und therapeutische Maßnahmen im Patientenzimmer, Mehraufwand diagnostische und therapeutische Maßnahmen in Funktionsbereichen (einschließlich Bettwechsel, Desinfektion), Behandlung besiedelter Wunden, Zusammenarbeit mit Krankenhaushygiene (z.B. Hygienebesprechung vor Ort) und die Schlussdesinfektion) erfolgt. Im Basisblock ist eine Dokumentation von insgesamt 100 Minuten pro Tag für das Ein- und Ausschleusen, die Dokumentation, die Fußbodendesinfektion und die Desinfektion patientennaher Flächen aufgeführt. Das Dokumentationsformular stimmt insofern überein mit der gemeinsamen Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV zur Dokumentation bei den OPS-Kodes 8-987.- Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit MRE vom 17.04.2007. Ausweislich der vorgelegten Dokumentationsbögen sind während des stationären Aufenthalts des Versicherten vom 24.02.2016 bis 04.03.2016 täglich 160 bis 180 Minuten für die Komplexbehandlung bei Besiedlung mit MRE angefallen. Der Basisblock von 100 Minuten wurde täglich mit einem Handzeichen abgezeichnet.

Das SG hat mit Urteil vom 27.02.2018 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.805,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 12.07.2016 zu zahlen. Die Klage sei zulässig und begründet.

Die Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Vergütungsanspruch ergebe sich aus § 109 Abs.4 S.3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs.1 Nr.1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung.

Der geltend gemachte Vergütungsanspruch sei zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Soweit sich die beklagte Krankenkasse - wie vorliegend - gegenüber einer Klage auf Zahlung auf Vergütung ausschließlich im Rahmen der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidige, bedürfe es bezüglich des (unstreitigen) Bestehens der Hauptforderung keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen (BSG, Urteil vom 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 21/03 R; Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 7/06 R).

Die unstrittige Forderung des Klägers sei nicht durch Aufrechnung gemäß § 61 S.2 SGB X in Verbindung mit § 389 Abs.1 BGB mit einem Rückzahlungsanspruch der Beklagten erloschen. Denn der Beklagten habe ein solcher Erstattungsanspruch nicht zugestanden.

Als Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geltend gemachte Forderung auf Rückzahlung des Betrages in Höhe von 3.805,39 Euro komme ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht. Dessen Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Die Beklagte habe nicht ohne Rechtsgrund an den Kläger gezahlt, dem Kläger habe ein Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der abgerechneten Höhe zugestanden.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus entstehe unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Behandlung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt worden und im Sinne von § 39 Abs.1 Satz 2 SGB V erforderlich sei (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R). Die Notwendigkeit der stationären Behandlung sei zwischen den Beteiligten zu Recht nicht strittig.

Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergebe sich gemäß § 17b Abs.1 Satz 1 KHG in Verbindung mit §§ 7 Abs.1 Satz 1, 9 Abs.1 Satz 1 Nr.1 KHEntG aus einem diagnosebezogenen, pauschalierenden Vergütungssystem, bestehend aus einer Fallpauschalenvereinbarung (FPV) und einem Fallpauschalenkatalog (G-DRG), hier in der im Jahr 2016 geltenden Fassung. Dem liege ein System zugrunde, bei dem in einem als "Groupierung" bezeichneten Prozess aus den ermittelten Diagnosen, Operationen und Prozeduren mithilfe eines zertifizierten Software-Programms unter Einbeziehung von weiteren Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer usw.) eine DRG-Pauschale und die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt würden (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R). Die maßgeblichen Vergütungsregelungen, insbesondere die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR), seien eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen hätten außer Betracht zu bleiben. Denn eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen sei, könne ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt werde und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belasse (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R).

Von diesen Grundsätzen ausgehend habe der Kläger den stationären Aufenthalt des Versicherten zu Recht auf der Grundlage der DRG-Fallpauschale DRG T77.Z abgerechnet. Streitig sei vorliegend allein die Frage der ausreichenden Dokumentation des OPS-Kodes 8-987.11. Laut der allgemeinen Kodierregel D001a der Deutschen Kodierrichtlinien 2016 könne die Bedeutung einer konsistenten, vollständigen Dokumentation in der Krankenakte nicht häufig genug betont werden. Ohne diese Art der Dokumentation sei die Anwendung aller Kodierrichtlinien eine schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe.

Der OPS-Kode 8-987.11 sei wie folgt abgebildet:

"8-987 Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit multiresistenten Erregern [MRE] ( ...)

Es muss ein dokumentierter durchschnittlicher Mehraufwand von mindestens 2 Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung entstehen. Dazu gehören neben den oben beschriebenen Maßnahmen z.B.:
• Einsatz von erregerspezifischen Chemotherapeutika/Antibiotika
• Mindestens tägliche lokale antiseptische Behandlung der betroffenen Areale (z.B. Rachen- oder Wundsanierung; antiseptische Sanierung anderer betroffener Körperteile/Organe)
• Antiseptische Ganzkörperwäsche, bei intakter Haut mindestens täglich
• Täglicher Wechsel von Bettwäsche, Bekleidung und Utensilien der Körperpflege (Waschlappen u.Ä.)
• Schutzmaßnahmen bei Betreten und Verlassen des Zimmers (zimmerbezogener Schutzkittel, Handschuhe, ggf. Mund-Nasen-Schutz, Einschleusen, Ausschleusen etc.)
• Ggf. mehrmals tägliche Desinfektion patientennaher Flächen
• Mindestens tägliche Fußbodendesinfektion und einmalige Schlussdesinfektion
• Patienten- und Angehörigengespräche zum Umgang mit MRE
• Durchführung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen unter besonderen räumlich-organisatorischen Bedingungen (z.B. im Patientenzimmer anstelle im Funktionsbereich; wenn in Funktionsbereichen, dann mit unmittelbar anschließender Schlussdesinfektion)

( ...)

- 8-987.11 Mindestens 7 bis höchstens 13 Behandlungstage"

Ausweislich der Patientenakte seien während des stationären Aufenthalts des Patienten an neun Tagen 160 bis 180 Minuten für die Komplexbehandlung bei Besiedlung mit MRE angefallen. Die Dokumentation sei per Handzeichen der Pflegefachkraft gemäß der Empfehlung der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverbände der GKV erfolgt. Der Basisblock von 100 Minuten sei durch das Pflegepersonal täglich mit Handzeichen abgezeichnet worden. Zur Überzeugung des Gerichts sei damit ein durchschnittlicher Mehraufwand von weit über zwei Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung dokumentiert. So habe der Kläger die in der OPS 8-987 beispielhaft genannten Maßnahmen einzeln aufgelistet und kategorisiert. Unschädlich sei insbesondere, dass der Kläger für die im Basisblock genannte Maßnahme "Dokumentation" einen Zeitwert angesetzt habe. Denn die in der OPS genannte Liste an Maßnahmen sei nicht abschließend.

Unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben habe der Kläger auch einen Basisblock von 100 Minuten für das tägliche Ein- und Ausschleusen, die Dokumentation, die Fußbodendesinfektion und die Desinfektion patientennaher Flächen ansetzen können. Dabei sei es nach Auffassung der Kammer nicht notwendig, dass jede einzelne Maßnahme, die bei jedem Betreten des Zimmers zu erfolgen habe, jedes Mal zeitlich erfasst werden müsse. Insofern habe der Kläger hier einen Basisblock in seinem Formular einführen können, für den ein bestimmter Zeitansatz täglich ohne weitere Nachweise eingestellt werde. Dies hätten auch die von der DKG und GKV vorgeschlagenen Formulare vorgesehen. Denn bei diesen Maßnahmen handle es sich um standardisierte Tätigkeiten, die täglich in der gleichen Form anfielen. Die zeitliche Variation dieser stetig sich in gleicher Form wiederholenden Tätigkeiten sei begrenzt. Variieren könne lediglich die Häufigkeit der einzelnen Tätigkeiten. Angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Einzelfall der Zeitwert von 120 Minuten mit 160 bis 180 Minuten täglich weit überschritten worden sei, zweifle das Gericht nicht daran, dass bei einer Infragestellung der angesetzten 100 Minuten für den Basisblock ein Zeitwert unter 120 Minuten erreicht worden wäre. Im Übrigen habe die Beklagte auch keine konkreten Zweifel vorgetragen, welche Maßnahmen im Einzelnen zu hoch bzw. zu häufig bewertet worden seien, so dass das Gericht sich nicht veranlasst gesehen habe, im Wege der Amtsermittlung den Anfall des Mehraufwandes durch Vernehmen des Pflegepersonals als Zeugen zu überprüfen.

Die Beklagte habe lediglich die pauschale Abzeichnung von 100 Minuten mit der Begründung, die gemeinsame Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV habe nur unverbindlichen Charakter, in Frage gestellt. Aus dieser Tatsache folgere das Gericht, dass grundsätzlich weiterhin die Freiheit zur Dokumentation bestehe. Ob eine Dokumentation ausreichend sei, könne gerichtlich überprüft werden. Für eine ausreichende Dokumentation spreche vorliegend, dass sich Experten auf höchster Verbandsebene in der gemeinsamen Empfehlung umfangreiche Gedanken (bis hin zur Ausarbeitung eines Musterdokumentationsbogens) gemacht hätten, wie der von der OPS 8-987 geforderte durchschnittliche Mehraufwand von mindestens zwei Stunden täglich zu dokumentieren sei. Die Fachleute hätten sich auf einen Basisblock für tägliche, im Wesentlichen in gleicher Form wiederkehrende Maßnahmen geeinigt. Dies mache für das Gericht Sinn, da es überflüssige Bürokratie in Form vieler kleiner Einzeldokumentationen obsolet mache. Andernfalls würden die Anforderungen an die Dokumentation im Krankenhaus überspannt, wenn Putz- und Pflegekräfte per Stoppuhr ihre Tätigkeiten messen und nachweisen müssten. Die Fachleute hätten hier bewusst unterschiedliche Blöcke nach unterschiedlichen Tätigkeiten differenziert (modulares Verfahren). Aus Sicht des Gerichts handele es sich um eine nachvollziehbare, differenzierte und ausreichende Dokumentation des Krankenhausgeschehens. Unter Berücksichtigung des somit vorliegenden OPS 8-987.11 habe der Kläger seine Leistungen nach der DRG T77Z abrechnen können.

Die Beklagte hat am 13.03.2018 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Unstreitig dürfe sein, dass der OPS-Kode 8-987.11 eine Dokumentation vorschreibe. Die unverbindliche Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV zur Dokumentation sei nicht verpflichtend. Der MDK folge der Empfehlung nicht. Abrechnungsbestimmungen seien streng am Wortlaut orientiert auszulegen. Der Kläger habe nur eine Dokumentation anhand des Basisblocks vorgelegt, was dem Wortlaut des OPS-Kodes nicht entspreche. Es müsse für alle Beteiligten höchste Priorität haben, dass die Behandlung vorschriftsmäßig ablaufe. Nach den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen sei beispielsweise am 24.02.2016 eine Gesamtdokumentation von 160 Minuten angegeben. Die Zeit aus der Blockdokumentation aus dem Basismodul mache dabei den Großteil der angegeben Zeit aus. Lediglich 60 Minuten würden aus den restlichen Auswahlmöglichkeiten aus dem Bogen bestätigt. Die restlichen 100 Minuten würden auf dem Bogen mit nur einem Handzeichen bestätigt. Im Rahmen einer Isolierungssituation sei es schwer vorstellbar, dass lediglich eine Person aus dem Personenkreis, der Kontakt mit dem Patienten habe, von jedem wisse, wie lange und ob die anderen die Fußbodendesinfektion oder beispielsweise die Desinfektion der patientennahen Flächen vorgenommen hätten. Zudem sei auch das Ein- und Ausschleusen von Person zu Person individuell und nicht mittels eines Handzeichens dokumentierbar. In den übrigen Blöcken finde sich tagesbezogen mehr als ein Handzeichen. Die individuelle Dokumentation auch im Modul Basisblock sei jedoch gerade im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen von MRE besonders wichtig. Das Vorliegen der Voraussetzungen des OPS-Kodes in patientenindividueller Hinsicht könne der Kläger bisher nicht nachweisen. Bei Vorlage einer entsprechenden Dokumentation werde die Beklagte anerkennen.

Der Kläger hat ausgeführt, der OPS-Kode schreibe lediglich vor, dass ein durchschnittlicher Mehraufwand von mindestens zwei Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung dokumentiert werden müsse. Mit keinem Wort gehe der Kode auf die Darstellung der Dokumentation und die Art und Weise dieser ein. Die Voraussetzungen des OPS-Kodes seien durch die klägerische Dokumentation vollumfänglich eingehalten worden. Die Empfehlung zur Dokumentation werde von allen Krankenhäusern auf Bundesebene verwendet, nahezu nur die hiesige Beklagte sperre sich gegen die Anerkennung der Dokumentation. Im Übrigen verkenne die Beklagte, dass die Tätigkeiten aus dem Modul Basisblock auch nur von einer Person durchgeführt werden könnten. Alle bislang mit der Materie befassten Sozialgerichte hätten die Auffassung der Beklagten negiert.

In der mündlichen Verhandlung am 18.09.2019 hat die Beklagte ausgeführt, sie beanstande, dass die Unterschriften im Basisblock bei dem Kläger nur durch eine Person erfolgt seien. Dadurch werde nicht sichergestellt, dass die Hygienemaßnahmen im Krankenhaus tatsächlich durchgeführt worden seien. Allerdings sei der Beklagten das Krankenhaus des Klägers nicht besonders bezüglich des Auftretens multiresistenter Erreger aufgefallen. Dies ergebe sich auch nicht aus der Stellungnahme des MDK.

Nach Ansicht der Beklagten seien zumindest zwanzig Unterschriften zu fordern, um den Mehraufwand zu belegen. Im Laufe der weiteren Verhandlung ist von der Beklagten eine Dokumentationsempfehlung des MDK Bayern vorgelegt worden, wonach eine Strichliste zu führen und dies durch ein Handzeichen pro Schicht, das heißt Früh-, Spät- und Nachtdienst, insgesamt zu bestätigen ist. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 27.02.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist aber nicht begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung von 3.805,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz. Das SG hat zu Recht der Klage stattgegeben. Auf die ausführliche Urteilsbegründung des angefochtenen Urteils wird verwiesen, § 153 Abs.2 SGG.

Ergänzend wird auch zum Vorbringen im Berufungsverfahren Folgendes ausgeführt:

Voraussetzung für die Abrechnung des OPS-Kodes 8-987.11 ist unter anderem das Entstehen eines dokumentierten durchschnittlichen Mehraufwandes von mindestens 2 Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Mindestmehraufwand von 2 Stunden nicht ausreichend dokumentiert sei. Es sei eine individuelle und jeweils mit einem Handzeichen versehene Dokumentation der einzelnen Verrichtungen notwendig. Dies steht im Widerspruch zu der gemeinsamen Empfehlung der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverbände der GKV zur Dokumentation bei den OPS-Kodes 8-987.- Komplexbehandlung bei Besiedlung oder Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE).

Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass die gemeinsame Empfehlung lediglich eine unverbindliche Empfehlung ist. In der Empfehlung wird insofern darauf hingewiesen, dass auf lokaler und regionaler Ebene weiterhin von dieser Empfehlung abweichende Regelungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern möglich sind.

Dennoch ist der Senat - wie das SG - der Ansicht, dass bei Anwendung der Empfehlung nicht von einem Dokumentationsmangel ausgegangen werden kann. Aus dem Wortlaut des OPS-Kodes ergibt sich gerade nicht die Erforderlichkeit einer Auflistung jeder vom jeweiligen Durchführenden einzeln aufzuführenden, von ihm getätigten Verrichtung, die jeweils mit einem Handzeichen des Durchführenden zu versehen ist. Vielmehr genügt die in der gemeinsamen Empfehlung vorgeschlagene Dokumentation nach drei Modulen mit unterschiedlichem Dokumentationserfordernis dem Erfordernis des Nachweises eines dokumentierten durchschnittlichen Mehraufwandes von mindestens zwei Stunden täglich.

Insbesondere ist die Begründung für die einmal täglich zu dokumentierende Erbringung eines Basisblocks mit einem Zeitumfang von 100 Minuten plausibel. Das Modul beinhaltet regelhaft anfallende, nicht direkt patientenbezogene Maßnahmen. Eine minutengenaue Einzeldokumentation dieser oft vielfach täglich anfallenden Leistungen ist im klinischen Alltag nach den Ausführungen in der Empfehlung der DKG und der Spitzenverbände der GKV nicht praktikabel und soll vermieden werden. Bestandteile des Blocks sind die Schutzmaßnahmen beim Betreten und Verlassen des Zimmers, der Dokumentationsaufwand, die Fußbodendesinfektion und die Desinfektion patientennaher Flächen. Es handelt sich damit um standardisierte Maßnahmen, die in dem streitgegenständlichen OPS-Kode aufgelistet sind und sich an den Empfehlungen der nach § 23 Abs.1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Robert Koch Institut (RKI) eingerichteten Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zur Prävention und Kontrolle von MRSA in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen (Bundesgesundheitsblatt 2014, S.696 ff.) orientieren. Danach werden für Krankenhäuser zusätzlich zu den Festlegungen der räumlichen Unterbringung (Isolierung) insbesondere Barrieremaßnahmen und Maßnahmen zur Desinfektion empfohlen. So soll vor ärztlichen, therapeutischen, physiotherapeutischen, pflegerischen und sonstigen medizinischen Maßnahmen und Reinigungsmaßnahmen ein Schutzkittel und ein Mund-Nasen-Schutz angelegt werden, der nur in diesem räumlichen Trennungsbereich eingesetzt wird. Vor Verlassen des räumlichen Trennungsbereiches ist die persönliche Schutzausrüstung abzulegen und eine Händedesinfektion durchzuführen. Zur Desinfektion wird die Durchführung einer mindestens täglichen Flächendesinfektion (Wischdesinfektion) für die patientennahen Bereiche (Bettgestell, Nachttisch, Nassbereich, Türgriffe u.Ä.) empfohlen, wobei diese bei Bedarf auf weitere kontaminationsgefährdete Flächen auszudehnen ist.

Die Krankenhausleitungen haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden (§ 23 Abs.3 IfSG; § 2 Verordnung zur Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen - Bayerische Medizinhygieneverordnung - MedHygV). Sie sind unter anderem zur Erstellung von Hygieneplänen verpflichtet, die Regelungen u.a. zur Festlegung standardisierter Handlungsabläufe enthalten (§ 23 Abs.5 IfSG, § 3 MedHygV). Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn die Empfehlungen der Kommission beachtet worden sind (§ 23 Abs.3 S.2 IfSG, § 2 MedHygV).

Der Ansatz von insgesamt 100 Minuten für die täglich durchzuführende Desinfektion patientennaher Flächen und die Fußboden- und Flächendesinfektion durch Reinigungskräfte und die entsprechenden Barrieremaßnahmen mit An- und Ausziehen von Schutzkitteln und Mund-Nasenschutz sowie Händedesinfektion bei jedem Betreten/ Verlassen des Isolierzimmers durch Ärzte (Visite, Diagnostik, Therapie), Pflegepersonen (Betten und pflegerische Maßnahmen, Essen bringen und Abtragen) und Reinigungskräfte und weiterer eingebundener Personen ist nicht zu beanstanden. Es handelt sich um Maßnahmen, die bei jedem Patienten nach Nachweis von MRSA täglich regelhaft anfallen und einen bestimmten Zeitrahmen erfordern, der von den Experten auf Bundesebene mit 100 Minuten angesetzt worden ist. Im Übrigen handelt es sich bei diesen Maßnahmen nach der Unterbringung im Einzelzimmer um zentrale Maßnahmen zur Vermeidung der Übertragung von MRSA (vgl. Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen, a.a.O.). Dies spiegelt sich dann auch in der Tatsache wider, dass mit der Erbringung des Basisblocks bereits ein Großteil des zu dokumentierenden Mehraufwandes von zwei Stunden erfüllt werden kann. Ein Handzeichen einer/eines jeden Ärztin/Arztes, Krankenschwester/Krankenpflegers, Reinigungskraft, Physiotherapeutin/Physiotherapeuten oder Sonstigen bezüglich jeder einzelnen Verrichtung ist zur Überzeugung des Senats überflüssig. Vielmehr zeigt das tägliche Abzeichnen durch eine Person, dass an diesem Tag die standardisierten Einzelmaßnahmen im Bereich Barrieremaßnahmen und Desinfektion ausgeführt worden sind.

Im Gegensatz hierzu sind in einem Modul "Patienten-abhängiger Block" Maßnahmen gelistet, die in Abhängigkeit vom Krankheitsbild und Zustand des Patienten mit unterschiedlicher Häufigkeit erbracht werden. Diese sind teilweise bei Erforderlichkeit mehrfach pro Tag dokumentierbar. Hierzu gehören der Wechsel von Bettwäsche und Bekleidung sowie die antiseptische Behandlung der betroffenen Areale. In einem dritten Modul sind Leistungen aufgeführt, für deren Erbringung aufgrund einer großen zeitlichen Streuung keine Werte angegeben werden können. Da der Aufwand sehr unterschiedlich ausfallen kann, sind nach der gemeinsamen Empfehlung hierfür im modularen Verfahren nachvollziehbar höhere Anforderungen an die Dokumentation gestellt worden. Darunter fällt beispielsweise der Mehraufwand für diagnostische und therapeutische Maßnahmen im Patientenzimmer oder in Funktionsbereichen, der, wenn er anfällt, einen erheblichen Zeitbedarf bedeuten kann, der aber nicht regelhaft täglich, sondern ggf. auch gar nicht anfällt.

Die von dem Kläger im vorliegenden Fall benutzten Dokumentationsbögen enthalten daher eine nachvollziehbare, differenzierte und ausreichende Dokumentation der Leistungen des Krankenhauses während der strikten Isolierung des Versicherten.

Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum Einen geforderte Unterzeichnung jeder einzelnen Verrichtung oder Tätigkeit aus dem Basisblock mit der Folge, dass mindestens 20 Unterschriften erforderlich sind, ist im Rahmen der Erfüllung der Dokumentationsverpflichtung ebenso wenig erforderlich wie die Nutzung des von der Beklagten zum Anderen in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumentationsbogens des MDK. Nach diesem Dokumentationsbogen muss bezüglich jeder einzelnen Verrichtung eine Strichliste geführt werden, die durch jeweils ein Handzeichen jeder Schicht, das heißt Früh-, Spät- und Nachtdienst, insgesamt zu bestätigen ist. Auch wenn dieser Dokumentationsbogen nicht ein von der Beklagten zunächst gefordertes persönliches Unterzeichnen jeder Tätigkeit umfasst, könnte - soweit sich die Beteiligten darauf verständigen - auch dieser Bogen einer Dokumentation im Rahmen der streitgegenständlichen OPS-Kodes zugrunde gelegt werden. Wie dargestellt, ist die gemeinsame Empfehlung der DKV und der Spitzenverbände der GKV nicht bindend und es sind auch abweichende regionale oder lokale Regelungen möglich.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, die Dokumentation diene der Sicherstellung der Einhaltung der Maßgaben der Hygiene im Krankenhaus, verkennt sie, dass die Dokumentation im Rahmen des streitgegenständlichen OPS-Kodes lediglich den Zweck hat, den entstandenen zeitlichen Mehraufwand zu belegen. Die Sicherstellung der Durchführung der Hygienemaßnahmen und Einhaltung der Hygienevorschriften im Krankenhaus, für die vorliegend auch keinerlei Beanstandungen vorgetragen worden sind, ist - wie oben dargestellt - Aufgabe der Krankenhäuser. Sie unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter (§ 23 Abs.6 IfSG, § 14 MedHygV).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs.1, 2 SGG.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a SGG i.v.m. § 52 Abs.3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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